Rechtslage in Österreich

Informantenschutz: Rechtslage in Österreich

Die Rechtslage des Jahres 2002 kann man wohl am besten so beschreiben, dass das, was im Einzelfall als Recht praktiziert wird, zwischen drei Positionen hin und her pendelt:

  • dem 1981 erstmals in Kraft getretenen und inzwischen – vorwiegend aufgrund der allerhöchstrichterlichen Rechtsprechung des EGMR in Straßbourg – insgesamt vier Male novellierten Mediengesetzes,
  • den vor dem EGMR aktuell anhängigen Verfahren in Medienangelegenheiten, wobei dieses Gericht europaweit einheitliche Rechtsstandards prägt, und
  • der nicht einheitlichen Medienrechtsprechung in Österreich, die teilweise ganz offensichtlich immer noch an – im europäischen Vergleich überholten – Staats- und Rechtsansichten festhält, die mehr den funktionierenden Obrigkeits- und Ordnungsstaat im Auge haben als den demokratisch mündigen Bürger und eine freie Presse.

Insofern ist es schwierig, das derzeit geltende bzw. praktizierte Recht im Einzelnen flächendeckend zu beschreiben. Andererseits gehen die österreichischen Medien damit konkret um. Und sie tun das einzig richtige: Dinge, die sie für journalistisch wichtig halten, zu recherchieren und zu publizieren, gegebenenfalls auch Klagen in Kauf zu nehmen und damit im Zweifel vor den Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte zu ziehen, dessen allerhöchste Richter wissen, welche Bedeutung der Medienfreiheit für demokratische Weiterentwicklungen zukommt.

Genau besehen ist diese Rechtsunsicherheit mehr ein Problem der betroffenen Journalisten und Medien und nicht der Informanten, wenn es um Informationen geht, die im Zusammenhang mit (angeblichem) Mißbrauch der Amtsgewalt (§302 StGB) oder durch (angeblicher) Verletzung des Amtsgeheimnisses (§ 310 StGB) erlangt worden sind, beispielsweise Informationen aus geheimen Teilen von Polizei- und Strafakten (vgl. HANUSCH 1998: 98). Die strittigen Rechtsfragen betreffen vor allem den ganz grundsätzlichen Interessenskonflikt zwischen privat geschützter Sphäre auf der einen Seite und öffentlichem Informationsinteresse auf der anderen. Anders formuliert geht es um die Frage, wessen Interessen staatliche Instanzen, insbesondere der dem parlamentarischen Regierungssystem nachgelagerte Behördenapparat und dessen auf Lebenszeit agierenden Amts-, Funktions- und sonstige Würdenträger verwalten: die der Cleveren und Ausgefuchsten, die sich auf den Schutz ihrer Privatsphäre berufen, oder jene der Allgemeinheit, die einseitige Bevorteilung und/oder Bereichung auf Kosten anderer regelmäßig ausbaden muß.

In Österreich schlägt das Pendel derzeit oftmals zu Ungunsten der Medienfreiheiten aus. Wird die gleiche Sache danach vom EGMR endgültig entschieden, kann man regelmäßig beobachten, wie Europa auch auf dem Gebiet des Medienrechts – allmählich – zusammenwächst: die Richter heben praktisch alle vorgelegten österreichischen Urteile wieder auf.

Der rechtliche Schutz von Informanten ist von diesen Problemen nicht betroffen. Denn er ist sehr eindeutig geregelt, nämlich im § 31 des besagten Mediengesetzes, an dem sich im Prinzip auch die mediale Rechtsprechung auszurichten hat. Im Prinzip ist er aufgebaut wie das bundesdeutsche Recht mit seinen drei Eckpfeilern, wobei alle relevanten Probleme unter dem Stichwort bzw. der Überschrift »Schutz des Redaktionsgeheimnisses« laufen.

1. Verweigerungsrecht:
Grundsätzlich haben alle Mitarbeiter von Medien das Recht, als Zeuge Antworten auf Fragen zu verweigern, »die die Person des Verfassers, Einsenders oder Gewährsmannes von Beiträgen und Unterlagen oder die ihnen im Hinblick auf ihre Tätigkeit gemachten Mitteilungen betreffen.« (§ 31 I Mediengesetz). Es sind damit auch wirklich alle Medien gemeint, wie sie in § 1 I Nr. 1 bis 7 des Mediengesetzes allumfassend definiert werden. Dies betrifft beispielsweise sämtlicher Zulieferer (»Mediendienste«) und auch alle »Medienwerke« (Text, Bild, Bewegtbild, usw.).

Das Gesetz macht keine Angabe zum Problem selbst recherchierter »Unterlagen«, die damit erst einmal nicht unter diesen Schutz fallen. Andererseit begreift man das Verweigerungsrecht der Zeugenaussage als kollektiven Schutz für die gesamte Redaktion, so dass es nur darauf ankäme, Unterlagen, also Informationen und sonstige Materialien einem anderen Redaktionsmitglied weiterzugeben (vgl. HANUSCH 1998: 264 f). Ungeachtes dessen empfiehlt sich ganz pragmatisches Vorgehen: Im Zweifelsfall muß man behaupten, dass die fraglichen Unterlagen von einem Informanten (»Einsender oder Gewährsmann«) stammen. Überprüfen lässt sich dies für Außenstehende nicht, da der Journalist eben darüber jegliche Aussage verweigern darf.

2. Rechtliche Beschaffenheit von »Unterlagen« und »Mitteilungen«:
Ob mit dem Aussageverweigerungsrecht der Medien bzw. mit dem damit beabsichtigten Schutz des Informanten auch illegal seitens seiner Person erlangte und/oder beschaffte Unterlagen oder Materialien abgedeckt sind, ist im fraglichen Paragraphen 31 des Mediengesetzes nicht angesprochen. Die österreichische Rechtsprechung bejaht dies allerdings – hätte man dies ausdrücklich ausschließen wollen, so hätte man bei den mehrfachen Novellierungen dieses Gesetzes just dieses explizit mit aufnehmen können. Hatte man aber nicht. Aus diesem Grund gilt, dass der Schutz für a) alle »Unterlagen« und b) den Medien »im Hinblick auf ihre Tätigkeit gemachten Mitteilungen« gilt. Vom Ergebnis her gesehen funktioniert es also wie in Deutschland (vgl. 272 ff im Buch).

3. Beschlagnahme- und Durchsuchungsverbot:
Auch dies ist im Prinzip wie in Deutschland geregelt (§ 31 II Mediengesetz): Der Schutz des Redaktionsgeheimnisses darf nicht dadurch umgangen werden, »daß dem Berechtigten die Herausgabe von Schriftstücken, Druckwerken, Bild- oder Tonträgern oder Datenträgern, Abbildungen und anderen Darstellungen mit solchem Inhalt aufgetragen wird oder diese beschlagnahmt werden.«

Allerdings: In dem Augenblick, in dem der Journalist oder irgendein anderer. »Medienmitarbeiter« selbst zum Beschuldigten oder Angeklagten wird, endet dieses Verbot: Beschlagnahmung bzw. Durchsuchung ist jetzt möglich. Ganz pragmatisch gesehen, muß man für solche Fälle entsprechende Vorsorge treffen. Ein Beschuldigter/Angeklagter muß auch in Österreich keine Angaben zur Sache machen, also auch nicht darüber, wo sich unter Umständen Dinge befinden könnten, nach denen andere suchen.

Unabhängig davon: Auch in Österreich gibt es – wie in allen anderen Ländern – offene Flanken: Zum einen können staatliche Verfolgungsbehörden zum Konstrukt der Begünstigung (§ 299 StGB), der Unterlassung der Verhinderung einer mit Strafe bedrohten Tat (§ 286 StGB) oder der Unterdrückung von Beweismitteln (§ 295 StGB) greifen, wenn sie Medien unter Druck setzen wollen.

4. Nachrichtendienstliche Methoden staatlicher Instanzen und Informantenschutz:
Ab 1. Oktober 2002 gelten neu gefasste Paragraphen im StGB und in der StPO (vgl. Bundesgesetzblatt I, ausgegeben am 13.8.2002 – Nr. 134; gängige Zitierweise: BGBl. I Nr. 134/2002) und damit im Detail eine neue Rechtslage. Im neuen § 149 a StPO sind die entsprechende Begriffe (z.B. § 3 Z 13 aus dem Telekommunikationsgesetz – TKG) jetzt eindeutig definiert. Die Gesetze sprechen nicht von „Abhören“ o.ä., sondern von „Überwachung“.

Vier Fälle kann man unterscheiden:

  1. Herausgabe von Telekommunikations(verbindungs)daten seitens Telekommunikations-Dienstleister an die Strafverfolgungsbehörden (z.B. Feststellung des räumlichen Bereiches oder Standortes der Telefonierenden bzw. Handy- bzw. Endgerät-Besitzer; Verbindungsdaten aller Art: Datum, Dauer, Teilnehmer und Adresse, Art der Kommunikation wie Gespräch, Fax oder email). Dies betrifft die nachträgliche Herausgabe wie auch die Bekanntgabe künftiger Daten.
  2. Abhören und Aufzeichnen des Inhalts der Telekommunikation.
  3. Verwanzen und Mitschneiden von (eigentlich) nicht-öffentlichen Gesprächen, etwa durch verdeckte Ermittler – oft auch als Kleiner Lauschangriff bezeichnet.
  4. Großer Lauschangriff: Optische und akustische Überwachung von Personen und deren Gespräche mit technischen Mitteln, unabhängig von deren Standort (Wohnung; Geschäftsräume; Hotel; im Freien usw.).

Journalisten sind im Prinzip, den Großen Lauschangriff ausgenommen (§ 149d I Z 3 b StPO), vor keinem der drei Fälle gefeit, wenn die Strafverfolgungsbehörden eine bestimmte Schwere von vermuteten und/oder verdächtigten Straftaten von Dritten unterstellen (wollen), mit denen Medienvertreter in Kontakt stehen Die Straftaten und der mittels dieser Methoden erhoffte Aufklärungserfolg sind ebenfalls im § 149a II StPO umschrieben.

Allerdings sind Journalisten – wie andere Berufsgeheimnisträger auch, etwa Rechtsanwälte oder Geistliche – (zusätzlich) durch das „Umgehungsverbot“ geschützt (§ 31 Abs. 2 MedienG), das auf allen Stufen wirkt: Sobald das Redaktionsgeheimnis tangiert ist, müssen (eigentlich) Abhörmaßnahmen abgebrochen und die Aufzeichnungen vernichtet werden. Jedenfalls können sie nicht als Beweis in einem Gerichtsverfahren verwendet werden.

Eine weitere Ausnahme beim abgehört werden gilt nur, wenn sich die Journalisten innerhalb des „Medienunternehmens“ im Sinne des § 1 Z 6 MedienG befinden, also z.B. in den Redaktionsräumen und/oder dessen Telekommunikationsanlagen nutzen, was Festnetzanschlüsse und Geschäfts-Handys mit einschließt. Auf private Journalisten-Handys bezieht sich diese Ausnahmeregelung nicht. Wie auch immer: In solchen Fällen ist die Überwachung nur zulässig, wenn 1) „dadurch die Aufklärung einer strafbaren Handlung gefördert werden kann“, die mit mindestens 5 Jahren Freiheitsstrafe bedroht ist (§ 149a III Z 1 StPO) bzw. die Zuständigkeit eines Geschworenengerichts (an Stelle eines Schöffengerichts) begründen würde (§ 14 I Z 11 StPO) und wenn 2) „die Verhältnismäßigkeit zum Zweck der Maßnahme gewahrt bleibt“ (§ 149a IV StPO).

Wie auch immer: In jedem Fall einer Überwachung muß der „Rechtsschutzbeauftragte“ eingeschaltet werden, der diese Überwachung durch die a) Überwachungs- und/oder b) Strafverfolgungsbehörden und Gerichte seinerseits überwacht und weitgehende Befugnisse dabei hat. Bestimmte Überwachungsvorgänge müssen z.B. von ihm sogar via Ermächtigung vorab ‚genehmigt‘ werden. Auch kann er einen entsprechenden Gerichtsbeschluss a) auf seine Rechtmäßigkeit und b) auf seine Verhältnismäßigkeit beim OLG überprüfen lassen. Und weiter ist er im Stande, die Vernichtung von Bildern, Aufzeichnungen oder von Daten zu veranlassen, wenn dies rechtlich nicht in Ordnung ist oder war. Geregelt ist dies alles im § 149o StPO.
Dem Justizminister muß er jedes Jahr einen Bericht vorlegen. Die unabhängige Stellung und Funktion des Rechtsschutzbeauftragten jedenfalls gilt in Europa bislang als einzigartig.

Als Rechtsschutzbeauftragter amtiert seit 1997 der ehemalige und langjährige Verfassungsrichter Dr. Rudolf MACHACEK. Er hatte z.B. 1971 die Österreichische Juristenkommission (ÖJK) ins Leben gerufen, war später Mitbegründer des Weißen Rings, hatte sich lange Zeit im Antifolterkomitee des Europarates engagiert und fungiert immer noch als Honorarprofessor an der Universität Linz.
Erreichbar ist der Rechtsschutzbeauftrage über seine Geschäftsstelle beim Obersten Gerichtshof, Justizpalast, in 1010 Wien.

Auf eine Kurzformel gebracht, bedeutet das Problem ‚Abhören‘ folgendes:

  • ‚Geschützt‘ in solchen Fällen ist, wenn überhaupt, der Journalist und nicht der Informant.
  • Andererseits: Ermittler und sonstige Langohren halten sich bei ihrer Suche im Zweifel eher an den Journalisten, weil in der Regel (nur) dessen Standort bekannt ist, den man abhören kann.
  • Wie auch immer: Rechtliche Regelungen sind das Eine. Die Praxis, insbesondere die Usancen von Nachrichtendiensten und/oder nachrichtendienstähnlichen Institutionen sind das Andere.
  • Und noch mal etwas ganz Anderes sind vorbeugende Maßnahmen, um selbst auf „Nummer Sicher“ zu gehen. Hinweise und Tipps dazu finden sich im Buch auf Seite 327 f.