1) Informationsfreiheitsgesetze
gibt es – inzwischen – in 11 von 16 Bundesländern. Und auf Bundesebene. Dort (erst) seit 2006. In einigen Bundesländern ist der Begriff „IFG“, so die Abkürzung für Informationsfreiheitsgesetz, noch ein Fremdwort. Insbesondere dort, wo konservative Parteien regieren (z.B. Bayern, Hessen, Sachsen). Transparenz, weiterführende Demokratisierung aller Lebensbereiche oder Stärkung der Zivilgesellschaft sind für gesellschaftliche Strömungen und Parteien, die auf dem Status Quo beharren (wollen), nicht wirklich ein Thema. Baden-Württemberg, das seit 2011 grün-rot dominiert wird, ist noch nicht soweit mit einem Gesetz. Auf der zentralen Website www.Informationsfreiheit.de, die von allen zuständigen „Datenschutzinstitutionen“ gemeinsam betrieben und vom „Landesbeauftragten für Datenschutz“ des Landes Schleswig-Holstein verantwortet wird, finden sich in der Regel mehrere Dinge:
- immer die aktuelle Fassung des jeweiligen IFG des entsprechenden Bundeslande
- oft auch die Jahresberichte der Beauftragten dazu
- manchmal auch weitere Hilfestellungen und Tipps
Einen Sonderfall stellt die Freie und Hansestadt Hamburg dar. Sie hat ihr IFG seit Oktober 2012 durch ein Transparenzgesetz ersetzt. Die Philosophie: Die Bürger müssen nicht erst fragen, sondern der Staat bzw. seine Behörden müssen grundsätzlich alles und das von vorneherein transparent machen, sprich sozusagen alles online bereitstellen. Dazu hat der Senat einen Aktenplan aller Behörden zusammengestellt, an dem man sich bei der Suche orientieren kann. Ein interessantes Experiment, das ab Oktober 2014 richtig losgehen soll.
Ebenso ein Sonderfall: der Freistaat Bayern. Hier gibt es kein landesweites IFG – ein solches hat die seit menschengedenken regierende CSU zu verhindern verstanden. Aber es gibt ein BÜndnis „Informationsfreiheit für Bayern“, dem der Verein Mehr Demokratie, die Humanistische Union und Transparency Deutschland angehören. Sie haben in über 70 bayerischen Kommunen Informationsfreiheits-Satzungen durchsetzen können. Darunter auch in allen bayerischen Großstädten. Infos und Details unter www.informationsfreiheit.org .
Eine nicht-amtliche Site, sondern eine aus den Reihen der Zivilgesellschaft, die auf die Open Knowledge Foundation Deutschland e.V. zurückgeht (www.okfn.de), ist die inzwischen recht bekannte Website https://fragdenstaat.de. Sinn und Zwecks dieses Portals:
- allen Interessenten das Stellen eines Antrags zu erleichtern
- alle bekannt gewordenen Anfragen und v.a. Antworten zu dokumentieren
- und dabei die positive wie negative Praxis einzelner Behörden transparent zu machen,
- um dadurch das gesamte Thema weiter voranzubringen.
Hier kann man ausgiebig in inzwischen über 3.300 Anfragen (Stand Juli 2014) mittels Stichworten stöbern. Und dazu auch die potenziell in Frage kommenden Institutionen erfahren, die Auskunft geben können (und eigentlich auch müssen).
Eine andere Systematik verfolgt die Datenbank von netzwerk recherche (nr): http://auskunftsrecht.netzwerkrecherche.de. In der dortigen Datenbank sind bisher 70 Urteile mit ihren Begründungen abgespeichert (Stand Juli 2014). Hier sortiert nach Gerichten bzw. nach Bund und Bundesländern bzw. den dafür zuständigen Gerichten. Der inhaltlichen Vorspann zur Datenbank nebst Erklärungen zu Sinn & Zweck dieser Aktion ist unter dem Link http://bisher.netzwerkrecherche.de/Infofreiheitsgesetz-IFG zu lesen – die Site wird betreut von Dr, Manfred REDELFS, Leiter der Abteilung Recherche bei Greenpeace Deutschland und Experte in Sachen Informationsfreiheit.
Ebenfalls hilfreich: die Website des Journalisten Daniel DREPPER. Er hat für seine nachhaltigen Recherchen um die (In)Transparenz der Sportförderung im Zusammenhang mit den Olympischen Spielen 2012 in London ein Jahr darauf einen „Wächterpreis der Tagespresse“ erhalten und sich dabei recht clever gegen das sich mit allen Mitteln sträubende Bundesministerium des Innern durchgesetzt (nachzulesen unter www.ansTageslicht.de/Sportfoerderung). DREPPER, der auf seiner Site auch seine Diplomarbeit zum Thema Informationsfreiheit zum Download anbietet, hat dort einen kleinen Leitfaden: Wie Journalisten an Dokumente kommen (können) zusammengestellt. Zu dem gehören auch alle Anfragen im Wortlaut (z.B. als Mustervorlage), die er seinerzeit für seine Recherchen gestellt hatte.
Eine andere Hilfestellung bietet Sebastian HEISER an, der „Fachjournalist für trockene Themen“ (HEISER über HEISER), der bei der taz – die tageszeitung arbeitet, aber auch für andere namhafte Blätter schreibt: in einem PDF mit dem Titel Auskunfstrechte kennen und nutzen. So kommt man an Aktenschätze.
Wiederum von netzwerk-recherche betreut wird die Site www.nachgehakt-online.de. Sie ist allerdings ein wenik antik (redaktioneller Stand 2008), aber es sind trotzdem aufschlussreiche Informationen vorhanden:
- Kurzbeschreibungen verschiedener rechtlicher Anspruchsgrundlagen (Landespressegesetze, IFG, UIG, VIG, amtliche Register wie z.B. Handelsregister. Letzteres aber ausführlicher hier auf investigativ.org unter Handelsregister / Unternehmensregister & Rechtsformen von Unternehmen)
- Hinweise zur Durchsetzung der Auskunftsansprüche
- Textbeispiele für die erfolgreiche Durchsetzung einiger Anfragen (z.B. Greenpeace ./. Monsanto; Renate DAUM ./. LfA Förderbank Bayern)
- mehrere Texte wie beispielsweise eine (erfolgreiche) Beschwerdeschrift gegen ein zunächst negatives Urteil in Sachen Grundbucheinsicht)
Alles ist aber auch im folgenden PDF „Nachgehakt“, zusammengefasst, redigiert und herausgegeben von Prof. Dr. Udo BRANAHL, der auch das Buch Investigatives Recherchieren presserechtlich betreut und ausgewiesener Medienrechtler ist. Ansonsten bietet das netzwerk-recherche auf seinen Jahresversammlungen regelmäßig Panels zum Thema Auskunftsrechte an – u.a. mit Udo BRANAHL. Dort kann man dann auch gezielte Fragen stellen.
2) Umweltinformationsgesetz (UIG)
Das gibt es bereits seit 1994! Und ist von der EU-Kommission in Brüssel europaweit durchgesetzt worden. Ist allerdings immer noch nicht sehr bekannt – auch nicht unter Journalisten. Ähnlich wie die bereits existierenden Informationsfreiheitsgesetze nicht gerade im Übermaß in Anspruch genommen werden. Da das UIG schon eine Weile existiert, gibt es
- bereits erste Erfahrungen im Umgang damit
- Rechtsprechung durch mehrere Gerichte
Die Interpretation durch inzwischen eine ganze Reihe von Richtern an unterschiedlichen Gerichten ist ausgesprochen erfreulich und stimmt hoffnungsvoll für die entsprechenden Auslegungsvorhaben der noch auszutestenden Informationsfreiheitsgesetze.
Beim UIG kümmert sich unter anderem die NGO Greenpeace darum bzw. beobachtet sehr genau, was da passiert und wie man das Gesetz nutzen kann. Denn dies vorab: Viele Behörden bzw. deren Mitarbeiter haben immer noch nicht begriffen (oder wollen es einfach nicht), dass aus dem Obrigkeitsstaat aus dem vorvorigen Jahrhundert allmählich nun doch nach und nach die Luft rausgeht. Entsprechend laufen viele, die Auskunft haben wollen, erst einmal auf. Aber auch dies kann man vorab sagen: Der Gang vor Gericht lohnt immer. Denn jeden so genannten Verwaltungsakt (und eine Ablehnung eines Auskunftbegehrens ist ein solcher) kann jeder vor dem Verwaltungsgericht überprüfen lassen. Und da das Gesetz ein glasklare Sprache spricht, ist es für die Richter vergleichsweise einfach, ebenso glasklare Urteile zu sprechen. Im übrigen würde die Gesetzgebung von der EU-Kommission in Brüssel für alle EU-Staaten zwingend vorgegeben (Anfang der 90er Jahre).
Die (ehemals) rot-grüne Regierung hat inzwischen zudem einige Verbesserungen, sprich Erweiterungen und Klarstellungen daran vorgenommen. Grundsätzlich hat jeder einen Anspruch auf Auskunft! Und niemand muss seinen Antrag begründen! Ebenso wenig ist persönliche Betroffenheit Voraussetzung. „Kosten“ bzw. Gebühren (sofern solche erhoben werden) dürfen nicht prohibitiv wirken. Dies sind die vier wichtigsten Regeln.
Der Bereich, über bzw. aus dem Auskünfte von Behörden, egal ob auf kommunaler, Landes- oder Bundesebene, verlangt werden können, bezieht sich auf Umweltdaten. Genauer: Auf die „bei den Behörden vorhandenen Informationen über die Umwelt“ (§ 1 UIG). Im § 3 II wird das beispielhaft skizziert: Gewässer, Boden, Luft usw.; außerdem über alle vorhandenen „Belästigungen“ und Maßnahmen zum Schutz der Umwelt, einschließlich dessen, was die Behörden dagegen tun (z.B. „verwaltungstechnische Maßnahmen“).
Das Gesetz, das (bisher) nur aus 11 Paragraphen besteht, also sehr knapp und präzise, aber ausgesprochen verständlich gefasst ist, kann man unter folgender Adresse downloaden, was zum besseren Verständnis der hiesigen Ausführungen nicht von Nachteil ist: www.gesetze-im-internet.de/uig_2005.
Aus dem Gesetzestext geht klipp und klar hervor, dass es alle Informationen betrifft – ausgenommen Geschäftsgeheimnisse von privaten Unternehmen oder sonstige (aber schwer vorstellbare) schutzbedürftige Daten – , und zwar unabhängig davon, ob solche Informationen in Form von Akten, Bildern (Fotos, Bewegtbilder wie Videoaufnahmen) oder in elektronischer Form, also auf Datenträgern bzw. in sonstigen Speichermedien existieren.
Die Institutionen, gegenüber man einen solchen Anspruch auf umweltrelevante Informationsauskünfte geltend machen kann, sind weit gefasst: nicht nur Behörden im klassischen Sinn, sondern auch out-gesourcte, sprich ‚privatisierte‘, Institutionen fallen darunter, sofern sie entweder indirekten Behördencharakter haben oder „öffentlich-rechtliche Aufgaben im Bereich des Umweltschutzes wahrnehmen“ oder wenn sie der entsprechenden „Aufsicht von Behörden unterstellt sind“ (§ 2 UIG).
Interessant ist, dass beispielsweise auch sonst unter das Steuergeheimnis fallende „Subventionen“ nach diesem Gesetz durchaus anspruchsrelevante Informationen sein können. So hat es jedenfalls das Bundesverwaltungsgericht 1999 entschieden (staatlich geförderte Giftmüllverbrennungsanlage in Seelze bei Hannover). Es lohnt sich daher, ab und an auch mal ein Blick in einen aktuellen Kommentar zum UIG zu riskieren.
Eine Würdigung dieses vergleichsweise bereits älteren Urteils hat der Wissenschaftler Peter KÜPPERS vom Öko-Institut, Freiburg-Darmstadt-Berlin, vorgenommen: KUEPPERS_oeko-institut ad bverwg1999_seelze. Als aktuelle Kommentierung zum UIG sei empfohlen: SCHOMERUS, Thomas/SCHRADER, Christian/WEGENER, Bernhard W. (2002): UIG – Umweltinformationsgesetz. Handkommentar. 2. Auflage, Baden-Baden: Nomos Verlag.
Einen sehr interessanten Aufsatz mit allen Informationen, die man in diesem Zusammenhang gerne wissen möchte, hat der Leiter der Rechercheabteilung bei Greenpeace, Dr. Manfred REDELFS, geschrieben. Er ist abgedruckt in einem Buch (Sammelband): REDELFS, Manfred (2002): Umweltschutz durch Informationszugang: Erfahrungen mit dem Umweltinformationsgesetz (UIG). In: KLOEPFER, Michael (Hrsg.): Die transparente Verwaltung? Zugangsfreiheit zu öffentlichen Informationen. Berlin: Duncker & Humblot, S. 96-120.
Manfred REDELFS, der nicht nur für Greenpeace, sondern auch als Mitglied bei netzwerk recherche diese Thematik im Auge hat und als Experte für Informationsfreiheitsgesetzesregelungen gilt, steht grundsätzlich auch für Nachfragen bei Problemen zur Verfügung: manfred.redelfs@greenpeace.de.
Normale‘ Menschen, die Auskunft begehren, müssen damit rechnen, dass Behörden, die nur ungern Auskunft erteilen, in der Regel die vorhandene Gebührenordnung ausnutzen. Bei Bundesbehörden gibt es inzwischen eine Kosten- bzw. Gebührenobergrenze: 500 €. Die „Umweltinformationskostenverordnung“ in der neuesten Fassung v. 23.8.2001 (abgedruckt im BGBl. I, S. 2247) ist auch im Internet nachzulesen: www.gesetze-im-internet.de/bundesrecht/uiggebv/gesamt.pdf. Manfred REDELFS hat im Auftrag von Greenpeace einen kleinen „Fahrplan“ mit relevanten Tipps für potentielle Fragesteller gemacht. Er ist im Buch „Investigatives Recherchieren“ auf S. 156 abgedruckt.