Kooperationsbeispiel 3: Fernsehformate in Europa – Ergänzung zu Kapitel 7.3

Das Ergebnis einer erfolgreichen und absolut unverzichtbaren Kooperation, die von acht Journalisten aus Holland, Belgien, Frankreich, Irland, Großbritannien und Deutschland getragen wurde, beschreiben die ARD-Reporter Udo LIELISCHKIES und Stephan STUCHLIK in ihrem Buchbeitrag »Die Paten der Fleischmafia. Geschichte einer Recherche« (1998). Sie hatten sich 1996/97 vom ARD-Studio in Brüssel aus für ihren 45-Minutenfilm »Die Paten der Fleischmafia. Auf den Spuren des Rindfleischschmuggels« (WDR, Erstsendung am 4.4.1997) auf die Spur der europaweiten BSE-Fleischmafia begeben Der Import von Rindfleisch aus Großbritannien auf den europäischen Kontinent war damals strikt verboten. Trotzdem tauchte Fleisch, das eigentlich als Sondermüll hätte verbrannt werden müssen, in großen Mengen trotz angeblich intensiver Zollkontrollen regelmäßig auf dem Festland auf und landete – falsch deklariert – in den Verkaufsregalen unzähliger Supermärkte.

Acht Monate lang hatte das Journalisten-Netzwerk funktioniert, dessen erste Idee in einem gemeinsamen Informationspool bestand, konkret in einem separaten E-Mail-Verteiler (Typ Mailing List), in den die vielen kleinen und oft bruchstückhaften Mosaiksteinchen an Informationen von allen Journalistenkollegen eingespeist wurden und die – jetzt in der größeren Menge und in der Gesamtschau – allen Poolmitgliedern sehr viel mehr Erkenntnisstand vermittelten. Parallel dazu gab es die unmittelbaren Telefon- und Fax- sowie die Vorort-Kontakte derer, die als harter Kern die eigentliche Geschichte machten und deshalb auch häufig auf Reisen waren.

Die zweite Idee bestand in der Absprache, dass jeder Partei Zugriff auf das gemeinsame Informations- und Bildmaterial hatte und daraus machen konnte, was sie wollte. Da die Fernsehkollegen in unterschiedlichen Ländern, sprich Kommunikationsräumen agierten, die sich nicht überlagerten, ergab dies kein Problem. Grundsätzlich hätte dies darin bestehen können, dass es bei kniffligen Recherchen oft darauf ankommen kann, dass das OdR (Objekt der Recherche) bzw. die jeweiligen maßgeblichen Akteure eines europaweiten Mafianetzwerks möglichst wenig davon mitbekommen sollen, dass hier auf der Gegenseite ebenfalls ein funktionstüchtiges Recherchenetzwerk am Wirken ist. Unkoordinierte Veröffentlichungen können da ungemein stören, gegebenenfalls eine Rercherchestrategie völlig zum Erliegen bringen. Glasklare Absprachen sind daher unverzichtbar.

Im Ergebnis jedenfalls hatten die Recherchen sowie die Berichterstattung aufschlussreiche Sachverhalte zu Tage gefördert: Zum einen, dass der Schmuggel in Form laxer Kontrollen seitens der zuständigen Ministerien gedeckt bzw. aus Gründen der Rücksichtnahme auf die eigenen Bauern, sprich Wahlklientel, nicht unterbunden, also letzten Endes ›gefördert‹ wurde. Zum anderen, dass sich die englischen Landwirtschaftsbehörden nicht zu fein waren, einer Gruppe von 20 angereisten Europaparlamentariern eine »Schmierenkomödie« vorzuführen, die belegen sollte, dass alles mit rechten Dingen zugehe. Die Abgeordneten ließen sich überzeugen, die Journalisten nicht. Sie fanden heraus: Die Parlamentarier waren einem gut inszenierten Bluff auf den Leim gegangen.