Brief an die Anwaltskanzlei

An:

SCHWARZ KELWING WICKE WESTPFAHL

Rechtsanwälte

Wittelsbacherplatz 1, 80333 München

 

 

Guten Tag, sehr geehrte Frau Dr. Karolin Nelles,

offensichtlich haben Sie überhaupt kein Interesse daran, Ihre Kritikpunkte, wegen derer Sie mit gerichtlichen Schritten drohen, konkret zu benennen. Anders kann ich Ihre Ankündigung nicht verstehen, Sie „überlassen es lieber einem Gericht, zu urteilen, ob die Verbreitung von veralteten Aussagen und die vorgenommene Herstellung von Sachzusammenhängen so korrekt ist oder nicht und können uns dann in allen Einzelheiten mit den einzelnen Passagen und Aussagen befassen“. So Ihre letzte mail vom Freitag, den 17.3. – zwei Tage vor Ihrer letzten Fristsetzung.

Ich fasse nochmals zusammen:

Sie hatten mich per mail am 13.3. erstmals gebeten, einen kompletten Teilabschnitt aus der Website www.recherchieren.org :„So ging die ComRoad-Affäre weiter“ (Kap. 3.2.1.2b) herauszunehmen. Ihre Argumentation:

  1. der Artikel sei „veraltet“ (2003)
  2. die „erhobenen Vorwürfe bzw. Unterstellungen“ seien „überwiegend gerichtlich geklärt und in der Mehrzahl der Fälle bereits zurückgewiesen“ worden
  3. es „bestanden und bestehen keine Verbindungen zwischen ComRoad und der Fa. Euracontact, wie sie in diesem Artikel unterstellt werden“.

Ich hatte Ihnen daraufhin mitgeteilt, dass die im Zusammenhang mit der fraglichen Firma genannten Informationen aus dem Jahre 2003 „Tatsachen“ aus dem Jahr 2003 darstellen, die nicht veralten können: der Bericht stellt die Rekonstruktion einer Recherche dar und die hierin beschriebenen Fakten beziehen sich auf eben diesen Zeitpunkt. Dies ist hinreichend kenntlich gemacht. Soweit zu (1).

Zu (2): Ich weiß nicht, was Sie mit „Vorwürfen bzw. Unterstellungen“ meinen (könnten). Sie sind ja nicht bereit, dieses näher zu auszuführen. Wenn in dem Recherchebericht beschrieben wird, wie die Journalistin vor einer Türe steht und dort ein Schild vorfindet und dies dann textlich wiedergibt, ist das eine Tatsachenbehauptung, aber keine „Unterstellung“. Diese Tatsachenbehauptung lässt sich auch belegen. Es existiert ein Foto von der eben erwähnten Türe. Diese Abbildung liegt mir vor. Es ist tatsächlich eine Türe zu erkennen. Daran ist ein Schild angebracht: „Euracontact Consulting AG“.

Auch die im nächsten Satz beschriebenen Informationen sind belegt: Der Vorstand der fraglichen Firma, die eine Eingangstüre besitzt und daran ein Firmenschild angebracht hatte, war seinerzeit gleichzeitig Geschäftsführer einer Firma namens „Phoenix“.

Auch die personelle Über-Kreuz-Beziehung im Aufsichtsrat zwischen der von Ihnen vertretenen Firma (mit der Eingangstüre und dem Firmenschild davor) und der Fa. ComRoad hat in der Form bestanden, wie in dem Bericht aufgelistet. Dies lässt sich ganz einfach in einem öffentlich zugänglichen Register nachprüfen: im Münchner Handelsregister z.B. unter der Nummer HRB 14 30 32. Wie Sie behaupten wollen, es „bestanden … keine Verbindungen“ zwischen beiden Firmen – siehe zu (3) – , ist mir völlig rätselhaft.

Ich habe von der Journalistin, die diese Recherche-Reportage seinerzeit durchgeführt und verfasst hatte, erfahren, dass es die personelle Überkreuz-Beziehung heute offenbar nicht mehr gibt. Ich hatte Ihnen deshalb in meiner letzten mail vom 17.3. – erstens – mitgeteilt, dass wir „selbstverständlich ein großes Interesse an einer exakten Darstellung der Sachverhalte“ haben und habe Ihnen – zweitens – vorgeschlagen, dass wir auf entsprechende Veränderungen hinweisen könnten. Ich hatte konkret geschrieben: „Dies könnte beispielsweise in Form einer ergänzenden Tatsachenbeschreibung geschehen.“ Genau dieses lehnen Sie – ganz offensichtlich – rundherum ab.

Sie weigern sich auch – anders kann ich Ihr oben zitiertes Schreiben nicht verstehen – , uns mitzuteilen, was denn nun genau „überwiegend gerichtlich geklärt und in der Mehrzahl der Fälle bereits zurückgewiesen“ worden sei. Ich kann das beim besten Willen nicht wissen und als Außenstehender auch nicht in Erfahrung bringen.

Ich habe mir, wie Ihnen bereits mitgeteilt, den von Ihnen monierten Abschnitt des Rechercheberichts nochmals genauer angesehen. Es gibt einen einzigen Satz, den man als vielleicht nicht ganz eindeutig formuliert bezeichnen und der – gegebenenfalls – zu Missverständnissen Anlaß geben könnte. Es betrifft dies die Passage: „Über Phoenix und Euracontact Consulting hatte ich nun einen Kanal gefunden, über den ComRoad-Gelder abfließen konnten“. Dass das Verb bzw. die sprachliche Formulierung „abfließen konnten“ als Möglichkeit angedeutet und nicht als Tatsachenbehauptung zu verstehen war, geht – eigentlich – unmißverständlich aus den beiden nächsten direkt nachfolgenden Sätzen hervor, in denen die Journalistin deutlich macht, dass sie es „nicht schreiben konnte“, weil sie es „nicht belegen konnte“ und niemand von den fraglichen Firmen dazu „Auskunft geben wollte“. Um ganz sicher zu gehen, dass aus der bisherigen Formulierung keinerlei Irritationen etc. erwachsen können, ließe sich eine redaktionelle Änderung vornehmen: statt „abfließen konnten“ nun „hätten abfließen können“. Dies würde die gemeinte Konjunktivform nun gänzlich glockenklar machen.

Dass es am Donnerstag (16.3.) eine telefonische „Einigung“ zwischen Ihnen und der Journalistin dahingehend gegeben habe, die von Ihnen geforderten Textpassagen zu löschen, glaube ich Ihnen nicht – die Redakteurin bestreitet dies mir gegenüber ganz entschieden. Sie hatte bei Ihnen angerufen, um Genaueres zu erfahren.

Angesichts des Umstandes, dass es mir nicht möglich ist, in der sehr kurzen Zeit – und übers Wochenende ohnehin nicht – die relevanten Fragen zu klären, stellen sich mir folgende Überlegungen:

  • In unserem deutschen Rechtssystem ist es nun einmal so, dass Anwälte für alles, was sie tun, Honorar einfordern können und nicht nach Erfolg (geschweige denn nach Notwendigkeit oder Sinnhaftigkeit) bezahlt werden. Es erscheint daher ganz allgemein angebracht zu sein, im Zweifel davon auszugehen, dass einzelne Aktionen schon wegen der Aussicht auf Einnahmenerzielung vorgenommen werden (können).
  • Im Zweifel muss ich mich deswegen auch auf einen eher hohen als geringen Streitwert einrichten – die Höhe der Anwaltshonorare steigt bekanntlich mit der Streitwertsumme
  • Im konkreten Fall ist es so, dass Sie sich auf der einen Seite weigern, den Tatsachen ins Auge zu sehen bzw. sich mit diesen auseinanderzusetzen. Auf der anderen Seite bauen Sie eine Drohkulisse mit Hinweis auf eine gerichtliche Klärung auf.
  • Ich muss daher davon ausgehen, dass dies Ihr eigentliches Anliegen ist. Für mich könnte Letzteres erhebliche Kosten (für Sie: Einnahmen) bedeuten.

Allgemein ist bekannt, dass Gebühren- und Kosten ein probates Mittel darstellen, Kritik zu erschlagen. Als Hochschullehrer gehöre ich nicht zu jenem Personenkreis, der durch Übernahme zusätzlicher Aufträge in nennenswertem Maße automatisch zusätzliche Erlöse generieren könnte. Beispielsweise um daraus hohe Anwaltshonorare und Gerichtsgebühren finanzieren zu können.

Ich habe ich mich daher entschlossen, die in Frage stehende Textpassage zu entfernen. Unabhängig davon werde ich mich um eine rechtliche Klärung bemühen.

 

Prof. Dr. Johannes Ludwig, 19. März 2006

 

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