Die Informationsbestände des Handelsregister im Detail

Mit diesen Grundkenntnissen über die unterschiedlichen Rechtsformen ausgestattet wird jetzt auch der Blick in die einzelnen Abteilungen und deren Informationsbestände ergiebiger. Es geht dabei um drei Quellen bzw. Zugänge:

  • Registerkartei/Registerblatt
  • was man alles in den Akten/Registerordner finden kann
  • was welche Unternehmen, abhängig von Rechtsform und Unternehmensgröße, an Daten zum finanziellen Status offen legen müssen: in der Abteilung Bilanzen/Bilanzkontrolle

1) Registerkartei/Registerblatt

Dies ist immer der zentrale Anlaufpunkt, auch wenn man persönlich Einsicht in die sehr viel ausführlicheren Akten nimmt. Was vormals auf den großen (Register)Karteikarten im DIN A 3-Format stand, lässt sich heute meist nur noch digital auf dem Registerblatt in den Computern einsehen, die in den Räumen eines HR stehen. Dort ist alles Wichtige in Überblicksform zu sehen, was es ganz formal über eine Firma zu sagen gibt: genauer Firmenname, Firmensitz, Rechtsform, rechtliche Vertreter (Geschäftsführer, Prokurist usw.), Gründungsdatum.

Konkret lassen sich diese Informationen über ein Unternehmen nach folgenden Kriterien bzw. Datei-Reitern (Ordner) sortieren:

  • »Aktueller Ausdruck (AD)«: Er enthält alle derzeit geltenden Daten ohne die inzwischen gelöschten Informationen.
  • »Chronologischer Ausdruck (CD)«: Hier sind alle Infos enthalten, die sich seit Umstellung auf Computer ergeben haben.
  • Im »historischen Ausdruck (HD)« wiederum, der der alten Registerkarteikarten entspricht, die hier im Original eingescannt ist, sind alle Infos zeitlich bis zur Umstellung auf PC gesammelt.
  • »Dokumentenansicht (DK)«: enthält die seit 1.1.2007 eingegangenen und (inzwischen) digital gespeicherten Unterlagen wie etwa die im Original eingesandte Gesellschafterliste einer GmbH. Dieses Verzeichnis wird künftig die bisherigen Akten ersetzen und wird dann auch Registerordner genannt.
  • »Unternehmensträgerdaten (UT)« geben ein klein wenig Auskunft über die gesuchte Firma: Höhe des (beschränkt) haftenden Kapitals z.B. oder Gründungsdatum etc.

Die nunmehr mögliche digitale Suche im Computer hat den großen Vorteil, dass man auch mit der Kenntnis von nur Namensbestandteilen suchen und fündig werden kann, ebenso wie man durch Eingabe des Personennamens eines Geschäftsführers der Fa. X diesen auch als Inhaber der Fa. Y ausmachen kann, von deren Existenz man vorher vielleicht gar nichts wusste.

Die Registerblätter/Registerordner sind bundeseinheitlich aufgebaut.  Wenn irgendwo Angaben rot unterstrichen sind (z.B. in den historischen bzw. eingescannten Ausdrucken), bedeutet dies: Das, was (rot) unterstrichen ist, hat sich verändert. Den aktuellen Stand muss man dann durch Weiterlesen suchen. Wichtig: Alle Eintragungen bzw. Veränderungen gelten immer erst ab dem Tag der vollzogenen Eintragung (immer in letzter Spalte mit Namen des Sachbearbeiters gelistet).

Telefonische Anfragen in einem HR/UR – sofern überhaupt möglich bzw. sofern man überhaupt mit einem Anruf erfolgreich ist – beziehen sich immer nur auf das, was sich über eben dieses Registerblatt/Registerdatei in Erfahrung bringen lässt – eben (nur) die wichtigsten Informationen. Aber eben nicht die Details, die bei investigativen Recherchen wichtig werden (können). Aus diesem Grund sollte man sich für letzteren Job immer persönlich ins HR/UR begeben, um vor allem die Akten genauestens durchzuforsten.

 

Beispielhaft seien die Registerkarten/Registerblätter, teilsweise auch Handelsregisterauszüge genannt, für das Unternehmen DER SPIEGEL (Produktname) bzw. für die Fa. »SPIEGEL-Verlag Rudolf Augstein GmbH & Co.KG« mit Sitz in Hamburg dargestellt: mittels Angaben zur Kommanditgesellschaft (HRA 61 755) sowie zur dazugehörigen Komplementärs-GmbH als persönlich haftende Gesellschafterin (HRB 13 105). Den SPIEGEL gibt es schon lange, und viele Leute haben in verschiedenen offiziellen Funktionen gemanagt, sodass es viele Eintragungen über diese beiden Firmen gibt. Hier ist aus den verschiedenen „Ausdrucken“ jeweils immer nur eine Seite dargestellt.

Der digitale „Chronologische Ausdruck“ (Handelsregisterauszug bzw. Registerauszug) enthält bei einer Personengesellschaft (hier KG) vor allem (Kurz-)Informationen: über den a) genauen Firmennamen sowie den (offiziellen) Geschäftsgegenstand, b) die zuständigen Inhaber, denen gleichzeitig die Geschäftsführung obliegt (Spalte 3), c) wer ggf. als Prokurist, also mit auf bestimmte Dinge beschränkter Vollmacht, fungiert, und d) wer das Kapital eingelegt hat bzw. wer mit wie viel haftet (Spalte 5: »Rechtsverhältnisse«). Außerdem, e) ab wann eine bestimmte Eintragung (erst) gilt (Spalte 6).

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Im konkreten Fall SPIEGEL sieht man in Zeile 1, Spalte 5 das Gründungsdatum der jetzigen GmbH & Co.KG (17.9.1959) sowie die Kommanditeinlagen: Rudolf AUGSTEIN und Gruner + Jahr je mit 250.000 € sowie die Kommanditgesellschaft Beteiligungsgesellschaft für SPIEGEL-Mitarbeiter mbH & Co. mit 500.000 €. Dass diese Kapitalverhältnisse nicht mehr dem aktuellen Stand entsprechen, erkennt man an den rot unterstrichenen Unterlinien. AUGSTEIN ist inzwischen tot.

Dass sich die hier unter dem Jahr 1959 angezeigten Kapitalverhältnisse erst im Jahre 1975 ergeben hatten, als der SPIEGEL-Gründer die Hälfte seines Unternehmens seinen Angestellten geschenkt hatte, die seither mit 50% am SPIEGEL auch unternehmerisch beteiligt sind, ergibt sich aus dem elektronischen Registerblatt nicht mehr – dies kann man nur aus dem »historischen« Ausdruck erfahren, der hier des Vergleiches wegen ebenfalls abgebildet ist (Abb. 7). Er entspricht dem, was in der früheren Registerkarteikarte zu lesen war. Oder man erfährt dieses Datum und weitere Details aus den (alten) Akten. So sieht ein „Historischer Ausdruck“ in Papierform aus:

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Und das kann man aus dem „Aktuellen Ausdruck“ erfahren: Die wichtigsten Informationen in Kurzform:

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Soweit zu Kommanditgesellschaft, also der Personengesellschaft des SPIEGEL.

Jetzt ein Blick auf das elektronische Registerblatt der dazugehörigen Kapitalgesellschaft, konkret der Fa. »Rudolf Augstein GmbH«, Sitz Hamburg, Handelsregisternummer HRB 13 105. Der „Chronologische Ausdruck“ zeigt, wie wenig Angaben dort enthalten sein müssen: Firmenname und Geschäftstätigkeit, Höhe des Stammkapitals (aber nicht, wer es hält bzw. eingezahlt hat), Geschäftsführername(n) und Prokuristen, und unter Spalte 6 die Rechtsform, hier eine GmbH. Die aktuellen Eintragungen bzw. Veränderungen stehen auf einer der neueren Seiten (hier nicht mehr abgebildet):

SPIEGEL_HRB_CD-1700px

 

Die Unterstreichungen besagen wiederum, dass sich all dies verändert hat und deshalb keine Rechtskraft mehr besitzt. Den neuesten Stand muss man sich grundsätzlich immer ›rückwärts‹ beschaffen: Man beginnt bei der zeitlich neuesten Eintragung und liest dann nach hinten weiter. Dies ist im Übrigen auch ein wesentlicher Vorteil der Kartei: Bei den Akten liegt oft so viel Papier und manches doppelt, dass nicht immer deutlich wird, ab wann und wie lange eine bestimmte Eintragung, die ja für einen bestimmten Sachverhalt steht, gilt bzw. gegolten hat. Dies kann man aus dem Registerauszug am schnellsten und übersichtlichsten erfahren.

Was im Registerblatt (Registerkartei) ebenfalls sofort erkennbar eingetragen wird: alle wesentlichen Verfügungen und Entscheidungen des Insolvenzgerichts, wenn Firmen gerade »in Konkurs gehen«, was seit der neuen Insolvenzordnung aus dem Jahre 1999 etwas anders, etwas eleganter heißt: »insolvent«, sprich »zahlungsunfähig« werden. Mehr dazu unter Schuldnerverzeichnis beim Insolvenzgericht.

Und nochmals der Hinweis: Ruft man im HR/UR den Aktuellen Ausdruck auf, so erkennt man auf Anhieb nur, was z.Zt. an wichtigsten Firmendaten gültig ist.

2) Handelsregisterakten/Registerordner

Diese sind in Papierform getrennt nach HRA- und HRB-Firmen archiviert. Ganz allgemein gilt: HRA-Akten, also solche von Personengesellschaften, sind regelmäßig weniger ergiebig als jene von Kapitalgesellschaften: Letztere müssen qua gesetzlicher Vorschriften sehr viel mehr Angaben und diese auch regelmäßiger machen als Unternehmen, deren Inhaber persönlich haften. Denn wenn ein Unternehmer persönlich für seine Geschäfte gerade steht, ist bei diesem die potenzielle Gefährdung für Gläubiger und andere weit weniger groß.

Zwei Arten von Akten gibt es: den so genannten Urkundsband, teilweise auch als Sonderband bezeichnet. Dies ist die normale Akte, die jedem zur Einsicht ohne Nachfrage freigegeben ist. Hier finden sich vor allem die offiziellen Unterlagen. Daneben wird ein so genannter Hauptband geführt, oft auch mit dem Begriff Ergänzungsband belegt. Dieser ist in der Regel nicht ohne weiteres einsehbar – da muss man ein wenig insistieren, denn er enthält die amtliche Korrespondenz (siehe weiter unten).

Grundsätzlich gilt – neben den amtlichen Archivierungsregeln – zusätzlich folgende Erfahrungsregel: All das, was irgendwer aus welchem Grund auch immer an das Handeslregister schickt, wird in die Akten eingelegt und aufbewahrt – egal, ob dieses Dokument benötigt wurde oder nicht. Gleiches gilt für die gesamte Korrespondenz des HRs mit anderen bzw. von Dritten an das HR. Dies ist wichtig zu wissen, denn dies bedeutet, dass in den Akten oft mehr enthalten ist als amtlicherseits notwendig. Und deshalb sollte man sicherheitshalber auch suchen, was wiederum bedeutet: Ins HR muss man persönlich! Und wenn man einen Beauftragten schickt, gibt dies im Zweifel nur dann Sinn, wenn dieser die ganze Geschichte kennt, die man recherchiert, um keinerlei – ansonsten nicht wahrnehmbare – Details zu übersehen. Anders gesagt: Im HR sollte man in jedem Fall Kommissar Zufall herausfordern.

Dazu folgende Informationen im Einzelnen – getrennt nach den beiden Aktentypen.

Urkundsband/Sonderband – Akten:

Hier werden alle Urkunden, d.h. Dokumente abgelegt, die im Laufe eines Firmenlebens offiziell zum HR eingereicht werden müssen. Für alle Firmen sind dies z.B. die Gründungsurkunden bzw. das Protokoll der Gründungsversammlung; Mitteilungen über den Wechsel von einzelnen Gesellschaftern; Unterlagen, wenn über eine Firma offiziell das »Insolvenzverfahren« (früher: »Konkursverfahren«) eröffnet wurde oder die Firma von Amts wegen gelöscht worden ist. Auch die Akten gelöschter Firmen werden archiviert. So weit die generellen  Regeln.

Für HRB-Firmen sind die Akten-Auflagen deutlich strenger. Beispielsweise für GmbH’s. Die müssen alle relevanten Veränderungen (Firmenname, Geschäftszweck, Adresse, Geschäftsführer und Prokuristen, Gesellschafter) nicht nur von einem Notar beurkunden lassen, sondern eine entsprechende Ausfertigung einer solchen Urkunde zu den HR-Akten einreichen. Oftmals muss dazu sogar der Gesellschaftsvertrag geändert werden.

Aus solchen Urkunden sind meist wertvolle Informationen zu erfahren. Jeder Notar ist verpflichtet, sich von der Identität jener zu überzeugen, die ihn wegen einer Beurkundung aufsuchen. Deshalb stehen in der Urkunde die Namen mit Adressen, meist auch das Geburtsdatum, und oft sogar eine Nummer des Personalausweises oder des gültigen Reisepasses – zumindest dann, wenn dem Notar die aufgetauchten Kunden unbekannt sind. Ein Reisepass, ausgestellt in einer ganz anderen Stadt oder in Südafrika, gibt Hinweise, wo man mit Recherchen weitermachen kann.

Aus solchen Urkundsprotokollen gehen bei GmbH’s auch die Gesellschafter und die Höhe ihrer Kapitaleinlagen hervor. Da gerade diese Frage bei GmbH’s von Bedeutung ist, sind alle GmbH’s nach § 40 des GmbH-Gesetzes (GmbHG) verpflichtet, jährlich unaufgefordert dem HR bekannt zu geben, wer mit wie viel Geld an der GmbH beteiligt ist. Außerdem muss eine solche Liste die Adressen der Gesellschafter benennen. Findet man in einer Akte eine aktuelle Liste nicht, sollte man den Sachbearbeiter im HR darauf hinweisen. Auf die Nichteinhaltung dieser Pflicht stehen inzwischen finanzielle Sanktionen (vgl. §§ 334 f HGB).

Im Urkundsband finden sich aber manchmal auch sonstige Dokumente, die auf die Sachbearbeiter einen gewissen offiziellen Eindruck machen und die mehr repräsentieren als reine Briefwechsel und sonstige amtliche interne Notizen, die in den Hauptband/Ergänzungsband gehören. Beispielsweise werden Bilanzen oder Wirtschaftsprüferberichte im Urkundsband abgelegt, wenn irgendwer – aus Versehen oder auch bewusst – so etwas an das HR schicken würde. Manchmal ist es auch nur die Sekretärin eines Notars, der irgendeine wichtige Sache beurkundet. Wenn die Bürodame nicht deutlich genug erklärt bekommt, was genau wohin gehört bzw. was wohin geschickt werden muss oder soll, und was wohin auf keinen Fall, dann gerät eben ab und an einiges durcheinander. Dies sind die Zufälle, auf die man setzen muss.

Beispielsweise ein Dokument wie in den beiden nachfolgenden Abbildungen wiedergegeben: Es ist dies eine typische Notarurkunde, nach der drei Gesellschafter einer GmbH ein verdecktes Treuhandverhältnis wieder aufgelöst haben, von dem niemand offiziell wusste. Denn Treuhandverhältnisse sind anonyme Verhältnisse und wenn jemand im HR für eine bestimmte Funktion eingetragen ist, dann gilt dies nach außen hin. Was intern anders läuft, wissen nur die Beteiligten. Deshalb war dieses Dokument mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit nicht für die Öffentlichkeit und deshalb auch nicht fürs HR bestimmt. Dort aber stammt es her – aus der entsprechenden Akte:

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Von den relevanten Informationen über ein beendetes Treuhandverhältnis (S. 2) abgesehen, enthält die Seite 1 (bzw. Deckblatt) der Notariatsurkunde teilweise jene Informationen, von denen gerade eben die Sprache war: Adressen und Geburtsdaten der GmbH-Gesellschafter. Da dem Notar die fraglichen Personen »von Person bekannt« waren, finden sich hier (leider) keine weitergehenden Details.

Bei Treuhandgeschäften dominiert oft auch Bequemlichkeit. Deswegen kommt es durchaus vor, dass als Treuhänder(in), sprich Strohfrau, eine Sekretärin oder Büroangestellte des Notars fungiert, weil der, wenn er beurkundet, dies natürlich nicht selbst machen kann. Eine solche Konstellation kann man dann leicht erkennen, wenn die angebene Anschrift des oder der Treuhänder(in) mit der Anschrift der Notariatskanzlei identisch ist. Also prüfen!

Überhaupt ist es ratsam, angegebene Adressen zu überprüfen, sprich in Augenschein zu nehmen. Nicht nur, dass man einiges über die Lebensqualität und deren zu Stande kommen bei den Betroffenen erfahren kann. Häufig kommt man auf diese Weise auch ziemlich schrägen Konstellationen auf die Spur. Dazu 2 Beispiele:

Beispiel 1:

GmbH & Co.KG’s, die eine persönliche Haftung einer natürlichen (und im Zweifel als solvent erscheindenen) Person vortäuschen wollen, machen dies gerne mit so genannten Rentner-phG’s (Rentner-Komplementären): Älteren Menschen, die in der Regel über keine Vermögenswerte, wohl aber über eine (normale) Wohnadresse (z.B. in einem Mietshaus) verfügen. 

Beispiel 2:

Die Bankgesellschaft Berlin repräsentierte nach 2000 eine der spektakulärsten Bankenkrisen der letzten Jahrzehnte deutschlandweit. Dass deren Schalter  noch  nicht  geschlossen  wurden,  ist dem  Umstand  geschuldet, dass das Land Berlin als Mehrheitsaktionär politisch und finanziell mit (vorerst) über 21 Mrd. € haftet (so genannte Risikoabschirmung seit April 2002).

Angerichtet haben die Banker das Desaster u.a. mit Immobilien, die sie bundesweit kreuz und quer ohne jegliches Konzept und vor allem zu völlig überhöhten Preisen zusammenkauften. Die damit aufgelegten Immobilienfonds bekamen ihre Kredite natürlich von der Bankgesellschaft. Z.B. auch die Tochtergesellschaft »Okeanos Immobilien Verwaltungs GmbH & Co.KG – Zweiter IBV-Immobilienfonds für Deutschland«. Höhe des Kreditvolumens: 870 Mill. €.

Eigentlich dürfen Banken nicht mehr als 20 % ihres haftenden Eigenkapitals als Kredit an einen Einzelkunden verleihen, egal ob Fremdkunde oder eigene Tochterfirma. Da hier die Grenze längst überschritten und ein Eingreifen des Bundesaufsichtsamtes für das Kreditwesen (inzwischen geändert in Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht (BAFin), Bonn) zu befürchten war, behalf man sich mit der phG-Konstruktion: Ein 33-jähriger Bauingenieur, ledig und in einer Wohngemeinschaft lebend, hatte sich auf Anfrage als »phG« zur Verfügung gestellt – gegen ein Salär von 0,1 % der Mieteinnahmen aus dem Fonds, rund 30.000 € pro Jahr. Nach außen hin haftet nun der handelsregisterlich eingetragene Bauingenieur mit seinem durchschnittlichen Jahresgehalt (drei Nullen) für annähernd eine Milliarde Euro (neun Nullen) Schulden.

Banktechnisch war das natürlich nicht zu verantworten, und so bekam der phG-Ingenieur intern eine persönliche Freistellungserklärung seitens der Bankgesellschaft Berlin. Im Gegenzug musste er wiederum sämtliche Geschäftsführerrechte per Vollmacht an andere Bankmanager abtreten. Auf diese Weise konnte man die Bankenaufsicht elegant und wirksam täuschen. Allerdings ist diese Umgehungskonstruktion inzwischen aufgeflogen. Die Freistellungserklärung liegt natürlich nicht in den HR-Akten. Aber: Durch eine weiterführende Außenrecherche nach einem HR-Besuch wäre man aber schnell stutzig geworden und hätte weitere Fragen stellen können.

Ganz generell kann man sagen: Es gibt wenig Orte, wo man so schnell und im Überblick an so viele Namen und Adressen von Akteuren kommt.  Aber auch von solchen, die es einmal waren. All dies sind potenzielle Ansatzpunkte fürs Recherchieren. Insbesondere dann, wenn sich aus dem detaillierteren Aktenstudium ergibt, dass Akteure im Unfrieden gegangen (worden) sind.

Über die Recherchen nach den eigentlichen Gesellschaftern stolpert man oft auch über das, was man Konzern(strukturen) nennt: Die Obergesellschaft bezeichnet man auch als Holding, Dach– oder Muttergesellschaft. Unternehmen, an denen diese dann Mehrheitsbeteiligungen hält (> 50 %), nennt man Tochtergesellschaften (Tochterunternehmen). Deren Töchter heißen dann Enkelgesellschaften. Allerdings gibt es in diesem Metier  weder Tanten, Cousinen, Schwägerinnen usw.

Ein weiterer Hinweis im Zusammenhang mit GmbH’s: Regelmäßig findet sich in den Akten, beispielsweise im Gesellschaftervertrag, ein Passus, nach dem der Geschäftsführer (der in solchen Fällen meist auch Gesellschafter ist) »von den Bestimmungen des § 181 BGB befreit« ist. Nach dieser gesetzlichen Regel sind so genannte Insichgeschäfte nicht gestattet, was bedeutet, dass ein Geschäftsführer einer GmbH, für die er offiziell als gesetzlicher »Vertreter« fungiert, von vornherein nicht gleichzeitig mit sich selbst –  diesmal als »natürliche Person« – Rechtsgeschäfte abschließen darf. Beispiel: Ein (geschäftsführender) Gesellschafter will seine Einkünfte dadurch aufbessern, indem er der GmbH eine eigene Wohnung vermietet, diesmal in seiner Person als Hausbesitzer. Das geht nur, wenn er von diesem Verbot befreit wird, etwa durch Beschluss der Gesellschafter.

Und noch ein Detail in diesem Zusammenhang: Man muss daran denken, dass bei der Rechtsformwahl für eine GmbH nicht nur Haftungsgründe ausschlaggebend sind, sondern auch steuerliche: Geschäftsführergehälter sind abzugsfähige Lohnkosten, mindern daher Gewinn und Körperschaftssteuer darauf. Die relevante Alternative wäre, dass sich ein Unternehmer als Gesellschafter das gleiche Geld als Gewinn auszahlen lassen würde und dann versteuern müsste. In der Regel ist die erste Variante günstiger. Damit ein geschäftsführender Gesellschafter, der beispielsweise seine GmbH im eigenen Haus domizilieren lässt, aber auch Miete an sich (natürliche Person) zahlen lassen kann, muss er sich zuvor von den restriktiven Auflagen des § 181 BGB befreien lassen (was er im Zweifel selbst beschließt).

Hauptband/Ergänzungsband -Akten

In diesen Aktenbänden befindet sich – unabhängig von der Rechtsform und eingelegt oder zusammen archiviert mit den dazugehörigen Urkundsbänden – vor allem der interne und externe Schriftverkehr sowie (interne) Verfügungen des Registergerichts (z.B. Eintragung abgelehnt, Einholen einer Unbedenklichkeitserklärung vom Finanzamt, Nachfragen bei der Industrie- und Handelskammer – IHK). Es kommen aber auch sonstige Auskunftsschreiben hinzu, etwa Auskünfte vom Bundeszentralregister bei Neueintragungen. Allerdings: Nicht jedes HR legt solche Informationen in dieser Akte ab. Gleiches gilt für Mitteilungen der Kripo oder der Staatsanwaltschaft, etwa im Zusammenhang mit laufenden Ermittlungsverfahren.

Andererseits werden dort Schriftwechsel archiviert, die beispielsweise Rechtsanwälte an das HR/UR schreiben, weil sie eine Fotokopie aus der Registerkartei (HR/UR-Auszug) oder eine Liste mit den derzeitigen GmbH-Gesellschaftern und deren Wohnadressen benötigen. Werden solche Bitten mit dem – eigentlich völlig unnötigen – Hinweis begründet, dass man gegen die fragliche Firma eine Forderung auf gerichtlichem Wege durchsetzen oder eine Zwangsvollstreckung beantragen möchte, sind dies für Journalisten begreiflicherweise aufschlussreiche Informationen. Deshalb empfiehlt es sich – je nach Rechercheinteresse – auch Einsicht in diese Akte zu nehmen.

Wie bereits betont, muss man erfahrungsgemäß an dieser Stelle etwas nachhelfen. Ein Hinweis auf § 34 des »Gesetzes über die Angelegenheiten der freiwilligen Gerichtsbarkeit (FGG)« müsste bei Journalisten eigentlich genügen, wenn man eine plausible Legende hat: »Die Einsicht der Gerichtsakten kann jedem insoweit gestattet werden, als er ein berechtigtes Interesse glaubhaft macht« (§ 34 I Satz 1 FGG). Noch besser, wenn man für solche Fälle auch die entsprechenden Auslegungen eines Kommentars zu diesem Gesetz gerade bei sich hat (z.B. BASSENGE/HERBST 2002: 206-210).

Diskussionen mit Sachbearbeitern über solche Fragen sind in der Regel zwecklos – ein ›kleiner‹ Angestellter wird sich kaum aus dem Fenster hängen und eine solche Entscheidung treffen (wollen). Deshalb sollte man danach oder besser gleich von vornherein bei einem der Richter, zuständig für das Registergericht, vorsprechen. Funktioniert dies nicht, dann führt der Weg zum Amtsgerichtsdirektor, dem höchsten Richter im Hause. Im allerletzten, aber eher unwahrscheinlichen Fall läuft es auf eine förmliche Beschwerde hinaus.