3.1.3.4 – Hintergrund zur ‚Chronik eines rätselhaften Todes‘

Hintergrund zur ‚Chronik eines rätselhaften Todes‘

betrifft zwei Geschichten, die in der „Berliner Morgenpost“ im Jahre 2002 erschienen sind. Es geht um einen unbekannten Toten, der im Herbst 2001 mitten im Berliner Grunewald ohne Papiere und ohne jegliche Spuren zu hinterlassen aufgefunden worden ist. Selbstmord lautete daher auch die kriminalpolizeiliche Erklärung. Erst später tauchen neue Informationen auf: Der Tote war als Computerfachmann und Systemadministrator bei der Fa. Aubis in Berlin angestellt und plötzlich verschwunden.

„Aubis“ ist der Auslöser des größten bundesdeutschen Bankenskandals, der „Affäre Berliner Bankgesellschaft“, die Ende 2000/Anfang 2001 die Stadt ins finanzielle Chaos zu stürzen begann.

Einer der beiden „Aubis“-Inhaber, ein ehemaliger Kripobeamter, war vor seinem privatwirtschaftlichen Unternehmer-Engagament zuletzt als rechte Hand im Parlament des Mannes tätig, der dieses Problem und diesen Skandal maßgeblich mitverursacht hatte: Klaus Rüdiger LANDOWSKI. Der „Aubis“-Mann, der mit einem weiteren Kompagnon, ebenfalls einem ehemaligen Landes- und später Bundespolitiker der CDU, im Goldgräberrausch der (Ex-)DDR-Übernahme das große Geld mit der Sanierung von Plattenbauten machen wollte, hatte sich dabei gründlich und nicht zuletzt auf Grund politischer Rückendeckung völlig überhoben.

Dank seiner politischen Verbindungen zu LANDOWSKI, der gleichzeitig den CDU-Fraktionsvorsitz im Abgeordnetenhaus inne hatte und seit Jahrzehnten als die „Graue Eminenz“ des CDU-Parteiapparates galt, gleichzeitig aber auch im Vorstand der staatlichen Berliner Hypothekenbank agierte (Bankgesellschaft Berlin) und sich auf diese Weise in jeder Funktion selbst „kontrollieren“ konnte, wurde die Firma „Aubis“, wenn sie Geld baruchte, mit Krediten nur so gefüttert – mit 700 Millionen DM und dies gegen jegliche Vorsichtsmaßnahmen, gegen alle bankenrechtlichen Vorschriften und gegen den Widerstand der zuständigen (‚kleinen‘) Kreditsachbearbeiter. LANDOWSKY & Co agierten vielmehr frei nach dem Motto: Eine staatliche Bank, die man selbst kontrolliert, kann nicht pleite gehen (Und falls doch, dann betrifft es ja nicht das eigene Geld).

Letztlich ging die Berliner Bankgesellschaft dann doch „k.o“. Das aber kam erst heraus, als eine andere, vergleichsweise banale Geschichte ans Licht der Öffentlichkeit kam: eine 40.000 DM-Spende des „Aubis“-Kreditnehmers und Ex-LANDOWSKI-Mannes an Klaus Rüdiger LANDOWSKI, CDU. Diese vergleichsweise geringe Geldsumme war letztlich der Auslöser für die seit Anfang 2001 dräuende Affäre, die zunächst einen Parlamentarischen Untersuchungsausschuss initiiert hatte, die Staatsanwaltschaft auf den Plan rief, innerhalb derer jetzt 12 (!) Ermittler diesen Komplex aufzutröseln versuchen, und die im Sommer 2001 die Große Koalition aus CDU und SPD zum Platzen brachte. Seither wird Berlin rot-rot regiert.

Aufgrund der parlamentarischen Konstellation und der dramatischen finanziellen Haushaltslage (Berlin musste eine so genannte Risiko-Abschirmung in Höhe von rd. 22 Milliarden Euro abgeben, damit die Bank mit ihren 16.000 Angestellten nicht von heute auf morgen durch die Aufsichtsbehörde geschlossen wurde, und darüber hinaus jetzt jährlich Milliardenverluste der Bank ausgleichen) sind die Politiker entschlossen, nicht nur diesen Skandal aufzuarbeiten, sondern die Verantwortlichen auch finanziell zur Rechenschaft zu ziehen.

Schlechte Aussichten also für alle, die in dieser Affäre verwickelt sind. Und noch schlechter die Aussichten für jene, die viel zu verlieren haben.

‚Gute Aussichten‘ indes versprach sich offenbar der Systemadministrator der Fa. „Aubis“, der auf Grund seiner Funktion und seiner EDV-Kenntnisse an alle Daten herankam, die es in dem Unternehmen gab. Der EDV-Experte wollte sein Wissen und mehrere kopierte Disketten zu Geld machen. Dazu kam es nicht (mehr).

Olaf JAHN, vormals Reporter bei der „Berliner Morgenpost“ und inzwischen frei arbeitender Journalist („Handelsblatt“, „Kontraste“/SFB) und sein (damaliger) Kollege, Jens ANKER, haben die beiden Geschichten recherchiert und geschrieben, deren Präsentation die „Berliner Morgenpost“ bzw. der Axel Springer Verlag uns auf dieser Website genehmigt haben.

Die beiden Berichte zeigen den Stand der damals gewonnenen Erkenntnisse, aber auch die Versäumnisse von Staatsanwaltschaft und Polizei. Die beiden Reporter hatten durch ihre eigenen Recherchen sehr viel mehr herausbekommen und gefunden (z.B. Disketten) als die offiziellen Ermittler.

Die beiden Geschichten zeigen aber auch – indirekt – die Überlegungen und Fragen, vor denen die beiden Journalisten jeweils standen, wenn es um die nächsten Rechercheschritte ging.

Zu den beiden Stories gehören zudem die vorangegangenen Seiten „Netz- und Ablaufplan zu ‚Chronik eines rätselhaften Todes‘“ (Kap. 3.1.3.2) sowie „Mind Map ‚Chronik eines rätselhaften Todes‘“(Kap. 3.1.3.3).

Außerdem ist der tiefere Hintergrund seit 2004 in einem Buch dokumentiert:
Olaf JAHN/Susanne OPALKA: Tod im Milliardenspiel. Der Bankenskandal und das Ende eines Kronzeugen. Berlin: Transit Verlag, 222 S., 18,80 €

Hier geht’s zu den beiden Veröffentlichungen der „Berliner Morgenpost“ aus dem Jahre 2002:

zu 3.2.1.3: ‚Chronik eines rätselhaften Todes‘ – Story 1

zu 3.2.1.4: ‚Chronik eines rätselhaften Todes‘, Story 2