4.6.2.3 Grundbuch(amt)

Um den »wirtschaftlichen Rechtsverkehr« auch im Bereich der Dinge abzusichern, die nicht vermehrbar oder reproduzierbar sind, also beispielsweise Grundstücke und grundstücksgleiche Rechte (z.B. Erbbaurecht), gibt es das Grundbuch(register), in dem sämtliche Grundstücke landesweit mit dazugehörigen Informationen eingetragen sind: die genaue Lage und Größe sowie durchlaufender Nummerierung, die Eigentumsverhältnisse und andere Daten, etwa solche, die der finanziellen Kreditabsicherung, konkret vor allem dem Schutz der Banken dienen (sollen). Das Grundbuch ist im Amtsgericht untergebracht, wobei man sich erkundigen muss, welche Amtsgerichte solche Abteilungen führen und für welche geografische Lagen sie zuständig sind. Die rechtlichen Grundlagen sind im BGB geregelt (§§ 873-1112), genauere Ausführungsvorschriften in der Grundbuchordnung sowie in der Grundbuchverfügung.

Im Grundbuch sind alle Grundstücke nach einem bestimmten Kennzeichnungssystem verzeichnet. Im Prinzip müssen Grundbuchämter Strassennamen und Hausnummern in ihre interne Registrierung umschlüsseln, um ein bestimmtes Grundstück genau identifizieren zu können. Diese funktioniert von oben nach unten in drei Schritten:

  1. Name des Grundbuchs bzw. des Amtsgerichts- bzw. Grundbuchbezirks
  2. Bezeichnung der Gemarkung
  3. Flur bzw. Flurstücknummer.

Diese Informationen dienen der Kennzeichnung der Lage von Grundstücken.

Intern sind die Akten dann nach 1) Bänden und 2) Blättern registriert und abgelegt. Am schnellsten finden die Sachbearbeiter solche Akten, wenn man die genaue Nummern des a) Bandes und b) des Blattes angeben kann, wobei man diese Informationen dann irgendwo bereits herhaben muss (z.B. vom Eigentümer).

Eingereichte Urkunden (Notar) und Verfügungen (Richter) werden in Akten gesammelt. Die wichtigsten Informationen sind – ähnlich wie im Handelsregister – auf großen Karteikarten notiert. Jedes selbstständige Grundstück (bzw. grundstückgleiches Recht) hat eine eigene Nummer. Wird ein Grundstück geteilt oder ein Mietwohnhaus in Eigentumswohnungen umgewandelt, so wird für jede neu entstandene Immobilie eine neue Nummer vergeben sowie eine neue Karteikarte und eine neue Akte angelegt. Bei der Suche nach Informationen von ehemals größeren Grundstücken bzw. Wohnhäusern muss man ggf. erst einmal die Historie der Aktenteilung rekonstruieren.

Das Grundbuchamt ist in drei unterschiedliche Abteilungen gegliedert: Abteilung I, II und III. Dieser Kategorisierung entspricht gleichzeitig eine Zunahme der Einsichtbarrieren: In Abt. I kommt man noch am ehesten rein, Abt. III gilt als das Allerheiligste. Über die Zugänglichkeit bzw. Grundbucheinsicht für Journalisten wird am Ende dieses Kapitelabschnitts gesprochen.

In Abteilung I sind auf großen Karteikarten die Eigentümer eingetragen: Name(n) und Adresse(n). Außerdem: die rechtliche Grundlage einer solchen Eintragung. Z.B. aufgrund einer so genannten Auflassung, die die grundsätzliche Einigung zwischen Verkäufer und Käufer über einen Eigentumswechsel repräsentiert und die dann bei erfolgter Bezahlung des Kaufpreises in eine reguläre Eintragung als Eigentümer geändert wird. Ebenso kann man Eigentümer durch Erbfolge werden und entsprechend so auch eingetragen sein. Bei einer Einsicht in diese Abteilung lassen manche Grundbuchämter eine gewisse Flexibilität walten, weil auch normale Menschen in ihrer Eigenschaft als Wohnungsmieter häufig in eine Situation geraten können, gerichtlich gegen ihren Vermieter vorgehen zu wollen oder zu müssen und dazu Namen und Adresse ihres ›Ansprechpartners‹ benötigen. Zu diesem Auskunftsanspruch gibt es inzwischen einschlägige Urteile (z.B. OLG Hamm v. 18.12.1985, Az: 15 W 417/85).

In Abteilung II werden so genannte Beschränkungen und Belastungen/Lasten von Grundstücken beschrieben. Zu den Lasten zählen beispielsweise ein eingetragenes Dauerwohn- und Dauernutzungsrecht, Nießbrauch, Vorkaufsrechte, Erbbaurechte. Ebenso wenn sich der Stromversorger vor urlanger Zeit das Recht hat eintragen lassen, über das Grundstrück eine Stromtrasse führen zu dürfen. Solche eingetragenen Rechte Dritter bezeichnet man auch als persönliche Dienstbarkeiten (des Eigentümers).

Beschränkungen der Nutzung (z.B. geplanter Verkauf durch den Eigentü­mers) eines Grundstücks können sich etwa aus einem eingetragenen Zwangsversteigerungsvermerk ergeben, den die Hypothekenbank auf ge­richtlichem Weg hat eintragen lassen. Ebenso zählen dazu Insolvenz- und Vergleichsvermerke oder Vermerke eines Testamentsvollstreckers.

Abteilung III ist aus der Sicht der Grundbuchämter die sensibelste, aus der Sicht von Journalisten oft die interessanteste. Denn hier werden die finanziellen Lasten notiert. Konkret kann man aus diesen Informationen und Aktenunterlagen, den so genannten Urkunden (z.B. Kaufvertrag, Kreditvertrag usw.) ersehen, wer einen Kredit gegeben hat und sich deswegen – zwecks Absicherung – ins Grundbuch als Gläubiger hat eintragen lassen. Solche Kredite können aufgrund eines Kaufes eingetragen sein, aber auch dann, wenn jemand einfach nur Geld benötigt und dafür einen vergleichsweise billigen Hypothekenkredit aufnimmt – das Zinsniveau für Schulden auf Immobilien liegt regelmäßig erheblich niedriger als jenes für Kontokorrent- oder sonstige Kredite.

Solche Informationen verraten eine Menge Dinge nicht nur über die konkreten Finanzierungskonditionen (Name der Bank, Zinssatz, Laufzeit, Kündigungsfristen usw.), sondern häufig kann man daraus auch auf die vorausgegangene oder die aktuelle finanzielle Ausgangslage und/oder die zu Grunde liegende Motivation solcher Finanzierungskonstruktionen schlussfolgern. Allerdings beginnt es spätestens hier komplizierter zu werden. Denn jetzt werden spezifische Kenntnisse im Schuldrecht und der so genannten dinglichen Rechte im Zusammenhang mit Immobilienbesitz notwendig, um weitere Feinheiten erahnen oder ersehen zu können.

So z.B. die unterschiedlichen Rechtsfolgen einer eingetragenen Hypothek versus einer eingetragenen Grundschuld. Beide Finanzierungsarten haben zur Folge, dass an jenen, »zu dessen Gunsten die Belastung erfolgt, eine bestimmte Geldsumme« zu zahlen ist, beispielsweise eine regelmäßige Annuität in einer bestimmten Höhe. Bei einer Hypothek(enfinanzierung) indes ist die regelmäßige Zins- und Tilgungsleistung des Kreditnehmers unmittelbar mit der Höhe der jeweils verbleibenden Restforderung seitens des Kreditgebers verknüpft – der Restzahlungsanspruch berücksichtigt automatisch alle bereits geleisteten Zahlungen (§ 1113 BGB), denn es handelt sich um eine so genannte schuldrechtliche Forderung. Anders bei einer Grundschuld: Diese besteht immer in der vollen Höhe, d.h. in Höhe des gesamten und so eingetragenen Kreditbetrags, und zwar unabhängig von bereits geleisteten Zins- und Tilgungszahlungen (§ 1191 BGB) und stellt deshalb eine so genannte dingliche Forderung dar. Letzteres bedeutet, dass diese Forderung von dem, der den Grundschuldbrief in Händen hat, jederzeit eingeklagt werden kann; sie ist deshalb von ihrem eigentlichen Rechtsgrund gelöst. D.h., wer als Schuldner auf Erfüllung einer solchen Rückzahlung in Anspruch genommen wird, aber schon längst alle Raten bezahlt hat, muss seinerseits den Gläubiger (im Zweifel vor Gericht) in (schuldrechtlichen) Anspruch nehmen, um sein jetzt doppelt gezahltes Geld zurück zu erhalten. Diesen Typus »Grundschuld« gibt es als Fremdgrundschuld und Eigentümergrundschuld, und ab hier beginnen die vielfältigen Nuancen von Rechts- und Schuldverhältnissen, mit denen bestimmte Personen, Unternehmen oder Geldgeber zu ›spielen‹, ggf. zu manipulieren beginnen. Diese Materie ist ausgesprochen kompliziert. Wer sich da hineinbegeben will, braucht in jedem Fall einen erfahrenen Rechtsanwalt, besser gleich einen Notar, weil letzterer im Gegensatz zum Anwalt a) jederzeit und b) ohne Gründe angeben zu müssen, Zugang zu allen Abteilungen des Grundbuchs hat.

Der Blick in die Abteilung III ist vor allem deshalb von Bedeutung, weil sich in diesen Akten relevante Informationen finden lassen, die im Zusammenhang mit Begünstigung, häufig auch als Folge von Bestechung usw., stehen. Wenn ein Firmenangestellter in einer kostenlos erworbenen Eigentumswohnung seitens eines Bauträgers lebt, dem der Angestellte zuvor einen großen Gefallen (in welcher Form auch immer) erweisen konnte, dann geht dies nur aus der Abteilung III hervor. Gleiches gilt, wenn der Bauträger die Wohnung gegen Kredit übergeben hat, das Darlehen aber nicht verzinslich ist, usw.

Seit 1996 sind die wichtigsten Grundbuchinformationen auch in EDV-Form verfügbar. Der restriktive Informationszugang hat sich dadurch aber nicht verändert. Einige Grundbuchämter haben auch eine alphabetische Kartei nach Eigentümernamen angelegt, meist jedoch nur zu internen Zwecken.

Hinsichtlich der Informationen, was die Lage und genaue Größe von Grundstücken anbelangt, zu welcher Straße, Gemeinde, Stadtteil oder Region sie gehören usw., gibt es eine gewisse Parallelität des Informationsbestandes mit den Katasterämtern (Liegenschaftskataster), die für Vermessung und die Kartenerstellung bzw. die Lagepläne zuständig sind. Die Katasterämter verfügen darüber hinaus über weitere Informationen, die beispielsweise für die Feuerwehr interessant sind: Wer ist Eigentümer bzw. Ansprechpartner (Vertreter, Treuhänder usw.), wenn es brennt, und wie kann man diese im Notfall z.B. telefonisch erreichen. Allerdings sind solche Angaben nicht immer topaktuell.

Ähnlich umfangreich und präzise wie im Grundbuch existieren dieselben Informationen auch in den Finanzämtern, die  für Grund- und Grunderwerbssteuern (Verkehrssteuern) zuständig sind. Zwischen diesen und den Grundbuchämtern gibt es auch regelmäßig schriftlichen Informationsaustausch, weil bestimmte Verfügungen (z.B. Eintragung) im Grundbuch von ordnungsgemäßen Steuerzahlung abhängig sind.

Das Grundbuch ist im Prinzip kein öffentliches Register, jedenfalls nicht in Deutschland. In Großbritannien oder Österreich sind zumindest die Informationen, wer Eigentümer ist, jedermann zugänglich. Ebenso in vielen anderen Ländern, und zwar schon deswegen, weil Grund und Boden nur eine beschränkt verfügbare Angelegenheit ist und sich daraus eben deswegen eine weit höhere soziale Verpflichtung ergibt, mit solchen Ressourcen sorgsam umzugehen, was wiederum eine entsprechende Transparenz voraussetzt.

Das deutsche Grund- und Bodenrecht ist ausgesprochen antik und datiert in seinem Wesen, sprich Konzept und Philosophie, aus dem vorvorigen Jahrhundert. Damals jedoch ging die Publizität sehr viel weiter, wie im § 12 der Grundbuchordnung (GBO) unmissverständlich formuliert: »Die Einsicht des Grundbuchs ist jedem gestattet, der ein berechtigtes Interesse darlegt«. Bis heute indes sind die Persönlichkeitsrechte in den letzten 50 Jahren bundesdeutscher Rechtsprechung immer deutlicher und stärker weiterentwickelt worden, sodass inzwischen ein klarer Interessenskonflikt bestehen kann. Im Zusammenhang stehende wirtschaftliche Interessen (Bank will Kredit verkaufen) gelten immer als »berechtigte« Interessen. Grundsätzlich ist aber auch – durch die Rechtsprechung sukzessive – ein öffentliches Interesse, wahrgenommen etwa durch die Presse, als berechtigt anerkannt, das auch höher als die privaten Geheimhaltungsinteressen von Betroffenen zählen kann. Bisher jedoch oblag eine solche Einzelfallentscheidung dem Grundbuchamt und dieses konnte eine positive Entscheidung u.a. davon abhängig machen, dass es vorher den betroffenen Eigentümer befragte, ob der mit einer Einsichtnahme einverstanden wäre (vgl. DEMHARTER 2002: 180f).

Genau ein solcher Fall wurde 1991 dem Bundesverfassungsgericht vorgelegt. Der Handelsblatt Verlag, Düsseldorf, konkret die Redaktion der Wirtschaftswoche wollte recherchieren, ob eine Kommanditgesellschaft, die zum Unternehmensverbund einer größeren AG gehörte, Verluste der Dachgesellschaft durch Verkauf oder Belastung ihres Grundstücks auffangen, sprich kaschieren sollte. Das fragliche Grundbuchamt wollte das Einsichtnahmerecht vom Einverständnis der KG abhängig machen, der Journalist genau dies verhindern. Letztlich mussten die Verfassungshüter entscheiden, weil der Redakteur seine Rechtsposition auch vom Recht der Pressefreiheit abgedeckt sah.

Nach neun Jahren hatten die Richter am 28.8.2000 Maßstäbe für die Zukunft gesetzt (Az: 1 BvR 1307/91):

  • Grundsätzlich haben auch die Medien einen Auskunftsanspruch, wenn das berechtigte Interesse dargelegt wird. Dabei wirkt das hohe Gut der Pressefreiheit auch auf die seitens des Grundbuchamtes zu überprüfenden »Anforderungen an die Darlegung des Informationsinteresses der Einsichtnahme zurück.«.
  • Bedeutet konkret: »Dabei ist zu respektieren, dass die Presse regelmäßig auch auf einen bloßen, und sei es auch nur schwachen, Verdacht hin recherchiert, ja dass es geradezu Anliegen einer Recherche ist, einem Verdacht nachzugehen. Bloße Vermutungen sind häufig Ausgangspunkt des Auffindens erheblicher Tatsachen. Ist eine publizistisch geeignete Information zu erwarten, wenn sich die Vermutung als zutreffend erweist, dann ist mit der Darlegung dieser Vermutung auch das Informationsinteresse hinreichend begründet.« (Tz. 30)
  • Und zum angeblichen Anhörungsrecht des betroffenen Grundeigentümers: «Die Presse ist in ihren Recherchen häufig darauf angewiesen, mosaiksteinartig einzelne Teilinformationen in verschiedenen Feldern zusammenzutragen, und sie benötigt dafür Freiräume und Zeit. Ginge sie dem Verdacht eines missbilligenden Verhaltens nach und müsste das Grundbuchamt den Adressaten des Verdachts von ihren Recherchen informieren, könnte der Rechercheerfolg nachhaltig gefährdet werden, da der Adressat ihrer Nachforschungen zu Gegenmaßnahmen, insbesondere zur Vernichtung von Beweismitteln u.Ä. schreiten könnte. Dies könnte zwar die Eintragungen im Grundbuch nicht rückgängig machen, wohl aber für damit zusammenhängende und sonstige Umstände bedeutsam werden. Eine staatlich durchgeführte Anhörung würde damit zu einem Mittel, das sich nicht auf den Schutz des Eingetragenen bei der Zugänglichkeit zu den eingetragenen Daten begrenzt, sondern ihn vor Presserecherchen warnt und in der Folge die Erfüllung der öffentlichen Aufgabe der Presse gefährden könnte« (Tz. 35). Im Klartext: Eine Rückfrage beim Eigentümer kann überhaupt nicht in Frage kommen.

Damit ist die Rechtslage ein für allemal eindeutig geklärt. Was nicht bedeutet, dass man dennoch sein Auskunftsrecht im konkreten Fall durchsetzen muss – nicht alle Sachbearbeiter oder Richter kennen dieses relativ neue Urteil.

Allerdings gibt es im Zweifel bzw. auf die Schnelle einen einfacheren Weg. Rechtsanwälte kommen ohne Probleme in die Abteilung I und II hinein. Bei Abteilung III wird dies schon schwieriger und viele Grundbuchämter lehnen dies ab. Ähnliches gilt für die Möglichkeit, Abschriften, sprich Kopien von einzelnen Eintragungen zu erhalten. Ein Notar, der ohnehin alle grundbuchrechtlich relevanten Urkunden beurkunden muss, kommt ohne überhaupt ein Interesse begründen zu müssen, schon aufgrund seines beruflichen Status in alle Abteilungen des Grundbuchamtes hinein. Dies ist immer der schnellste und zugleich auch fachkundigste Weg, gerade wenn es auch auf (diffizile) Detailfragen ankommt.