Auskunftspflichten auch für ’staatliche‘ GmbH’s und sonst. Institutionen
Ehemals öffentliche Aufgaben, die „privatisiert“ wurden (Beispiele: Strom- oder Wasserversorgung, Parkhaus, ÖPNV), werden nach einem solchen „Outsourcing“-Vorgang oft von GmbH’s wahrgenommen. Alleiniger Eigentümer oder Mehrheitseigentümer dieser Firmen ist in der Regel wiederum die öffentliche Hand, die jetzt aber nach privatwirtschaftlichen Grundsätzen agieren kann (z.B. Betriebsrat statt Personalrat; andere Entlohnungsmodelle für die Angestellten, Effizienzdenken statt Bürokratenmentalität usw.).
Häufig versuchen die nunmehr „privatisierten“ (ehemals öffentlich) Bediensteten, die Manager oder auch die dahinter stehenden staatlichen Instanzen, die Gelegenheit zu nutzen, Auskünfte zu verweigern, die vormals aufgrund von Haushaltsvorschriften transparent gemacht werden oder aufgrund des allgemeinen Auskunftsrechts gegenüber Journalisten gegeben werden mussten. Vorwand: man wäre schließlich eine privatwirtschaftliche GmbH und unterläge damit nicht mehr der einklagbaren Auskunftspflicht gegenüber den Medien oder der (steuerzahlenden) Öffentlichkeit.
Das sehen die hohen Gerichte in Deutschland allerdings anders. Erste entsprechende Klagen von Medien gegenüber ’staatlichen‘ GmbH’s verliefen erfolgreich. Allerdings geschieht dies meist erst in einer höheren Instanz – die unteren Gerichtsebenen getrauten sich hier noch nicht richtig ran.
Jetzt gibt es drei glasklare Entscheidungen dazu, die wir hier präsentieren: ein Urteil
- des Oberverwaltungsgerichtes des Saarlandes aus dem Jahre 1998
- des Bundesverfassungsgerichts von 2005.
- des Bayerischen Verfassungsgerichts aus dem Jahr 2006
Das erste und wohl entscheidenste Urteil hat der SPIEGEL vor dem Oberverwaltungsgericht (OVG) des Saarlandes im Jahre 1998 durchgefochten bzw. positiv für sich entscheiden können. Diese Entscheidung wurde aber erst später rechtskräftig, nachdem die unterlegene Partei – die städtische Parkhaus GmbH in Saarbrücken – darauf verzichtet hatte, über eine Nichtzulassungsbeschwerde eine Revision des für sie mißliebigen Urteils beim Bundesverwaltungsgericht durchzusetzen.
Dieses Urteil ist deswegen von Bedeutung, weil sich die Richter sehr detailliert mit der Frage auseinandergesetzt hatten, weshalb es für die Auskunftspflicht von „Behörden“ im weitesten Sinne gegenüber Medien keinen Unterschied macht, ob staatliche Aufgaben und Funktionen über eine staatliche Instanz (z.B. „Behörde“) oder eine ausgelagerte GmbH in öffentlichem Besitz wahrgenommen werden: das Transparenzgebot bzw. das öffentliche Interesse an Informationen gilt ganz grundsätzlich und kann nicht durch Gestaltung mit Rechtsformen, die anderen Zwecken dienen, umgangen, sprich ausgehebelt werden.
Da die Argumentation der Saarbrücker Richter sehr ausführlich und konsequent in der Sache erfolgte, hat sich auch der Bundesgerichtshof in einem höchstrichterlichen Urteil in einem ähnlichen Fall im Februar 2005 darauf berufen und die relevante Gedankengänge der saarländischen OVG-Richter übernommen. Damit ist jetzt klares Recht gesetzt, auf das man sich berufen kann.
Hier die drei Fälle:
- Saarbrücken (OVG Saarland)
Von der im städtischen Besitz befindlichen Parkhausgesellschaft Saarbrücken mbH (PHG), die in der Stadt mehrere Parkhäuser betreibt, wollte DER SPIEGEL 1995 wissen, ob Informationen zutreffend seien, nach denen sich die städtische Parkhaus GmbH im Jahre 1986 an einem Perserteppich-Geschenk für den damaligen saarländischen Ministerpräsidenten Oskar LAFONTAINE beteiligt habe. DER SPIEGEL, die Saarbrücker Zeitung und das TV-Format panorama hatten 1992/1993 mehrfach über merkwürdige Praktiken und Vorkommnisse im Hause LAFONTAINE berichtet (siehe dazu im Buch S. 15 f). Konkret wollte DER SPIEGEL wissen, ob die anteilige Höhe dieses Präsents bei 6.000 DM gelegen habe (Gesamtwert 24.000 DM), aus welchem Etat dies finanziert wurde und ob dazu ein förmlicher Beschluß eines Unternehmensgremiums der GmbH existierte.Diese Informationen verweigerte die Parkhaus GmbH mit der sattsam bekannten Begründung, dass sie als private GmbH nicht zu Auskünften verpflichtet sei. Nach mehr als dreijähriger Prozessdauer mussten die GmbH-Geschäftsführer dann doch Angaben hierzu machen. Weshalb, können Sie hier in dem richtungsweisenden Urteil bzw. der ausführlichen Begründung des OVG des Saarlandes nachlesen (pdf-file, 11 S, 130 KB):
- Stadt Bückeburg, Region Schaumburg-Lippe (Bundesverfassungsgericht)
Der Bund der Steuerzahler gibt die Mitgliederzeitschrift des Bundes „Der Steuerzahler“ heraus, in der die Beilage „BdSt-Nachrichten Niedersachsen und Bremen“ erscheint. Die Redaktion dieser regionalen Beilage wollte in einer ihrer Ausgaben Informationen aus der Presse aufgreifen, d.h. verifizieren, nach denen der Aufsichtsrat der Stadtwerke Schaumburg-Lippe GmbH die Höhe der eigenen Sitzungsgelder ver4facht habe. Auch im Niedersächsischen Pressegesetz gibt es einen Paragraphen, nach dem „Behörden“ verpflichtet sind, „den Vertretern der Presse die der Erfüllung ihrer öffentlichen Aufgaben dienenden Auskünfte zu erteilen“ (§ 4). Das lokale Energieversorgungsunternehmen gehört dabei – direkt und indirekt gerechnet – zu etwa 80% der öffentlichen Hand, konkret mehreren Kommunen. Dies spiegelte sich auch in der Sitzverteilung des Aufsichtgremiums wieder: 10 der insgesamt 15 Sitze waren Vertreter aus den Gemeinden.Eine Antwort wurde – wie so oft üblich – mit dem lapidaren Hinweis auf die „privatrechtliche“ Ausgestaltung der GmbH verweigert, womit sich die Redaktion natürlich nicht zufrieden gab und vor Gericht zog. Die erste rechtslogisch erscheinende Instanz, das zuständige Verwaltungsgericht in Hannover erklärte sich für nicht zuständig, da es ja nicht um ein Begehren einer privaten Institution (Steuerzahlerbund) gegenüber einer öffentlichen Instanz ginge, sondern gegenüber einer ebenfalls privatrechtlichen Firma – der Steuerzahlerbund müsse daher den Zivilrechtsweg beschreiten.Eine Berufung seitens der Redaktion gegen diese Sicht der Dinge vor dem Oberverwaltungsgericht Lüneburg scheiterte ebenfalls. Woraufhin die Redaktion das zuständige Amtsgericht Bückeburg bemühte, das das Ansinnen der Journalisten im Jahre 2003 mit dem Hinweis abschmetterte, der Behördenbegriff sei nicht auf eine juristische Person (GmbH) des Privatrechts übertragbar.Die Berufung der Steuerzahler-Redakteure vor dem Landgericht hingegen hatte Erfolg: Natürlich müsse man den „Behörden“-Begriff weit definieren und deswegen würden auch alle staatlichen Institutionen, die Aufgaben der kommunalen „Daseinsvorsorge“ erfüllten, genau darunter fallen.Damit wiederum wollten sich die sich im öffentlichen Besitz befindlichen Stadtwerke nicht zufrieden geben und gingen in Revision vor den Bundesgerichtshof. Der nun setzte am 10. Februar 2005 dem Ganzen ein Ende, indem er die Revision mit glasklaren Worten zurückwies:
Da die „Presse die Wahrnehmung ihrer Aufgabe im Rahmen der demokratischen Meinungs- und Willensbildung dadurch“ ermöglicht, „dass sie umfassend und wahrheitsgetreu Informationen über Geschehnisse von öffentlichem Interesse erhält und dadurch in die Lage versetzt wird, die Öffentlichkeit zu unterrichten“ (S. 4), sei den „Landespressegesetzen ein eigenständiger Behördenbegriff zu eigen, der auch juristische Personen wie eine GmbH erfaßt, deren die öffentliche Hand sich zur Erfüllung öffentlicher Aufgaben bedient. Dabei ist nicht erforderlich, dass sich die GmbH vollständig – mittelbar oder unmittelbar – in öffentlicher (kommunaler) Hand befindet (so die Fallkonstellation bei VG und OVG des Saarlandes). Es reicht aus, dass die GmbH von der öffentlichen Hand beherrscht wird“ (S. 5 der Begründung). Den vollständigen Wortlaut können Sie hier als pdf-file nachlesen (11 S., 30 KB):
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- München (Bayer. Verfassungsgerichtshof)
Die Wirtschaftsjournalistin Renate DAUM von Börse Online, bekannt u.a. durch ihre hartnäckigen und erfolgreichen Recherchen in Sachen ComRoad (vgl. hier auf dieser Site unter Kapitel 3.2) wollte sich auch die Hintergründe der in Konkurs gegangenen traditionsreichen Firma Schneider Rundfunkwerke AG, später geändert in Schneider Technologies AG vornehmen. Die war in den 90er Jahren in wirtschaftliche Schwierigkeiten geraten, wurde aber durch eine weitere Zuführung von Eigenkapital ersteinmal über den Berg gebracht. Zu den größten Kreditgebern und dann auch Aktionären gehörte die staatliche „LfA Förderbank Bayern“. Nichtsdestotrotz musste das Unternehmen 2002 dennoch Konkurs anmelden.Die (staatliche) LfA wischte kritische Fragen und Zweifel an den Vorgängen immer mit den Hinweisen ab, erstens sei alles mit rechten Dingen zugegangen, zweitens seien für die Bank bzw. für die letztlich haftenden Steuerzahler keinerlei nennenswerten Verluste oder Nachteile entstanden, und drittens unterläge sie als „Bank“ dem Bankgeheimnis und müsse bzw. dürfe niemandem außerhalb der eigenen Institution Auskunft oder gar Rechenschaft ablegen. Entsprechende konkrete Nachfragen seitens der Journalistin wurden nicht beantwortet.Damit gab sich Renate DAUM nicht zufrieden und zog vor Gericht. Die erste Instanz, das Verwaltungsgericht München, gab der LfA Recht: zwar bestünde natürlich ein Auskunftsanspruch der Medien gegenüber Behörden, die LfA aber sei eine Bank und „alle in der Bank tätigen Personen“ unterlägen der „Verschwiegenheitspflicht“, auch im „Außenverhältnis zur Presse“ – egal, was mit dem bankeigenen Geld oder staatlichen Subventionen über die Bank geschähe.
Mit Unterstützung ihres Arbeitgebers Börse Online, ein Produkt aus dem Hause von Gruner+Jahr in Hamburg, ging die Journalistin in Revision: vor den Bayerischen Verfassungsgerichtshof.
Der urteilte am 7.August 2006 (Az M22 K 04.4414) glasklar:
- die Auskunftspflicht der Presse gegenüber Behörden gilt ganz grundsätzlich, egal in welcher rechtlichen Form sich das staatliche Verwaltungsgeschehen abspielt – der Behördenbegriff könne nur „funktionell“ ausgelegt werden und „nicht organisatorisch-verwaltungstechnisch“
- und im übrigen gelte ganz allgemein: „Überall dort, wo zur Wahrung staatlicher Aufgaben öffentliche Mittel eingesetzt werden, von deren konkreter Verwendung Kenntnis zu erlangen ein berechtigtes öffentliches Interesse besteht, wird auch ein Informationsbedürfnis der Presse und der Bevölkerung begründet. Auf dieses Bedürfnis hat es keinen Einfluss, ob sich die Exekutive zur Wahrnehmung öffentlicher Aufgaben im Einzelfall sogar einer privat-rechtlichen Organisationsform bedient,“ so geschrieben auf S. 11 des Urteils, das Sie mit dem nachfolgenden Link aufrufen können:
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Da es erfahrungsgemäß immer eine Weile dauert, bis sich auch höchstrichterliche Urteile in unteren Gerichtsinstanzen herumgesprochen haben, ist es sinnvoll
- bei Auskunftsverweigerung unverzüglich zu klagen, wenn man der Gegenseite die geltende Rechtslage nicht vermitteln kann
- bei der Begründung einer Auskunftsklage rechtzeitig auf die bisher ergangenen Urteile und deren Begründung bzw. auf die aktuelle juristische Sicht der Dinge hinzuweisen, nach der den Medien ein Auskunftsanspruch auch gegenüber ‚staatlichen’ GmbH’s oder vergleichbaren Firmenkonstruktionen (z.B. Aktiengesellschaft) zusteht.
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