4.6.2.6 Die Aktivitäten der Rechnungshöfe

Ein Rechnungshof, egal ob auf Landes- oder Bundesebene, fungiert als Finanzkontrolleur der öffentlichen Gelder und versteht sich dabei auch – präventiv – als Mahner und Ratgeber. Die Aufgaben erstrecken sich auf die Prüfung, ob

  • Haushaltsgesetz und Haushaltsplan eingehalten wurden
  • Einnahmen und Ausgaben auch belegt sind
  • die Prinzipien Wirtschaftlichkeit und Sparsamkeit beachtet wurden und
  • last but not least ob die staatlichen Aufgaben auf andere Weise wirksamer und/oder sparsamer realisiert werden könnten.

Um diesen Controlling-Aufgaben effektiv nachgehen zu können, agieren Rechnungshöfe unabhängig von der Politik – sie sind ausschließlich den jeweiligen Gesetzen verpflichtet. In diesem Sinne repräsentieren sie auch keine übliche Verwaltungsbehörde. Allerdings werden die Rechnungshofmanager – ähnlich wie Richter an obersten Gerichten – durch die jeweiligen Parlamente, meist mit Zweidrittelmehrheit gewählt.

Der Aufgabenkatalog ist im Prinzip klar umrissen und meistens in den so genannten (Landes-)Haushaltsordnungen geregelt – so wie auch Aufbau und Funktionsweisen eines Rechnungshofes dort festgeschrieben sind. Zu den regulären Kontrollaufgaben können sich spezielle Prüfaufträge ergeben, die entweder von einer Landes- oder Bundesregierung erteilt werden, oder die durch eine entsprechende Mehrheit/Minderheit von Parlamentarieren beantragt bzw. beauftragt werden. Dies ist von Bundesland zu Bundesland unterschiedlich geregelt.

Vom Prüfungsumfang her gesehen erstreckt sich das Aufgabenfeld nicht nur auf die unmittelbare Verwendung der öffentlichen Steuergelder in direktem Zusammenhang mit staatlichen Aufgaben, sondern auch auf deren Verwendung durch Dritte, sofern diese in hoheitlichem Auftrag tätig sind. Gleiches gilt für alle Unternehmen, die in einer Rechtsform privaten Rechts (z.B. GmbH) agieren, deren Kapital aber in öffentlichen Händen liegt, und ebenfalls betroffen sind alle Unternehmen, an denen die öffentliche Hand in irgendeiner Form (finanziell) beteiligt ist (z.B. im Zusammenhang mit Outsourcing bzw. Privatisierung). Der Prüfungskreis ist daher weiter als man gemeinhin vermutet.

Soweit ein Rechnungshof prüfungsberechtigt ist, sind die fraglichen Institutionen zur Zusammenarbeit verpflichtet, insbesondere aber auch auskunftspflichtig. Allerdings funktioniert dies nicht immer. Als beispielsweise in den 80er Jahren der »öffentlich geförderte Wohnungsbau« in Berlin mit Unsummen von Subventionsgeldern hochgepäppelt wurde, hatten es die maßgeblich Begünstigten, insbesondere die Abschreibungsfonds (Bauherren) und ihre Bauträger, vorzüglich verstanden, etwas zu machen, was sonst nirgendwo möglich war: den staatlichen Geldverteilungs- und Kontrollinstanzen jegliche Überprüfung der kassierten Subventionen bzw. der sie auslösenden Kosten zu verweigern. Dies war allerdings nur möglich, weil es einen ausgemachten Interessensgleichklang zwischen parteispendender Baubranche und baubranchengefälliger Regierungspolitik gab. So gesehen können sich auch Rechnungshöfe trotz institutionalisierter Unabhängigkeit immer nur in dem Umfeld bewegen, das die Politik als Rahmen vorgibt.

Zur konkreten Arbeitsweise des Controllings und zum Workflow der jeweiligen Vorgehensweise bei Rechnungshöfen, insbesondere zum Prozess der Prüfberichterstellung, finden sich aufschlussreiche Hinweise in einer Darstellung des Hamburger Rechnungshofes, die im Internet nachzulesen ist: unter  www.hamburg.de/Rechnungshof, Dort findet sich auch die aktuelle Link-Liste zu allen anderen Landesrechnungshöfen sowie zu analogen europäischen Institutionen.


Transparenz der Arbeit:

Rechnungshöfe erstatten selbst Bericht über ihre Arbeit. Meist im Rahmen eines Jahresberichts, der auch für die Öffentlichkeit zugänglich ist. Regelmäßig aber auch dem Parlament. Hier ist die allgemeine Öffentlichkeit aber bereits eingeschränkt, und wer mehr erfahren will, muss sich an einen Abgeordneten wenden.

Unabhängig davon prüfen die Rechnungshöfe aber auch auf konkreten Auftrag hin. Z.B.einer Landesregierung oder einer Behörde. In diesem Fall werden die Ergebnisse solcher „Prüfberichte“ regelmäßig unter Verschluss gehalten. Ohnehin sind die Ausführungen in den Jahresberichten eher allgemeiner Natur als dass sie sich als Ausgangspunkt für Recherchen verwenden ließen. Diese Intransparenz derer, die eigentlich für finanzielle Transparenz sorgen sollen, wird ausgeprochen paradox begründet: Man sei auf die Zusammenarbeit mit den zu prüfenden Staatsdienern in den jeweiligen Behörden angewiesen. Und wenn man die verprellen würde, könne man nicht mehr prüfen. Dies – das muss man deutlich sagen – entspricht einem eher völlig überholten Bild von Demokratie und aufgeklärter Zivilgesellschaft.

So muss man sich eigene Wege suchen, um mit unter Verschluss gehaltenen Informationen die „öffentliche Aufgabe“ wahrnehmen zu können, die die Institution Rechnungshof oft selbst nicht leistet. Bzw.nicht leisten will. Auch das IFG hilft hier nicht immer weiter. Schnell werden Argumente wie „Steuergeheimnis“, „Dienst-“ oder Geschäftsgeheimnis vorgebracht, um nicht willkommene Nachfragen zu blockieren.

Manchmal erhalten die Institutionen sogar Rückendeckung von höchster Seite, etwa dem Parlament. So wollte beispielsweise der stern-Reporter Hans-Martin TILLACK über das IFG erfahren, wie der Bundesrechnungshof (BRH) die Mittelverwendung der im Bundestag vertretenen Fraktionen sieht. Der lehnte dieses Ansinnen im Februar 2014 ab. Offizielle Begründung: Der Bundestag habe am 14. Juni 2013 in einer Gesetzesänderung mehrheitlich beschlossen, dass der BRH nicht mehr unter das Informationsfreiheitsgesetz des Bundes falle.

Tatsächlich hatte der Bundestag dieses beschlossen: in nächtlicher bzw. frühmorgendlicher Sitzung um exakt 0:25 Uhr. Zwanzig Abgeordnete waren (noch) zugegen. Keine Rede wurde gehalten, keine Diskussion über diese Frage geführt. Der Abstimmungsprozess hatte knapp eine Minute gedauert (mehr in einem Artikel der ZEIT v. 12. März 2014).


Zum Selbstverständnis der Rechnungshofinstitutionen

So wie Lektoren etwa von Buchverlagen Traditionalisten sein müssen, denen es um die Einhaltung aktuell geltender Regeln geht und die in keinster Weise irgendwelche Beiträge zur Fortentwicklung der sprachlichen Kultur leisten (können), so verhält es sich auch öfters mit der Mentalität dieser Institutionen. Die Einhaltung von geltenden Vorschriften wird meist sehr viel höher gewichtet als das Nachdenken über die Sinnhaftigkeit von derlei Regeln. So konnte es – beispielsweise – 2007 in Berlin passieren, dass der Berliner Landesrechnungshof mehreren Bezirksämtern heftige Vorwürfe machten: Die Ordnungsämter würden nicht genug Bußgelder verhängen und Strafzettel verteilen.Und auf diese Weise nicht alle finanziellen Potenziale ausnutzen. Schlamperei, sozusagen.

So abstrus dies klingen mag: Es bedurfte längerer und öffentlicher Diskussionen, um den Rechnungsprüfern klarzumachen, dass man Fehlverhalten (falsches Parken, nicht vorschriftsmäßig angeleinte Hunde, Fahradfahren auf dem Gehweg usw.) nicht immer nur und nicht nur immer sofort mit Geldbußen ahnden müsse. Sondern die Bürger statt dessen auch freundlich ermahnen könne. Und dadurch mehr Einsicht erzeugen könne.

Kurzum: Auch Rechnungshöfe sind als Kontrollorgan nicht der eigenen Kontrolle entzogen. Genauso wenig wie das bei der „Vierten Gewalt“ der Fall ist: Auch die Medienberichterstattung ist kein Tabu und die Wahrnehmung der „öffentlichen Aufgabe“ muss sich immer wieder der öffentlichen Diskussion stellen.

In jedem Fall sind die ‚undichten‘ Stellen in Rechnungshöfen ein Segen für die Gesellschaft. Viele Skandale wären nie ans Tageslicht gekommen, wenn es nicht immer wieder Menschen (Informanten, Whistleblower) gäbe, die um die Bedeutung der „öffentlichen Aufgabe“ der Medien wissen und die von der Notwendigkeit transparenter Kontrollen überzeugt sind. Und die dadurch Veränderungen angestoßen haben, die die Heimlichtuerei der Rechnungshöfe nicht geleistet hatte. Beispiele: