4.3.2 – Informationsfreiheit auf EU- und internationaler Ebene

Informationsfreiheit auf EU-Ebene

Dieses Kapitel ist vorläufig. Es wird Mitte Oktober von Brigitte ALFTER (www.journalismfund.eu, www.wobbing.eu, www.farmsubsidy.eu) neu aufbereitet und künftig betreut. Sie ist gerade dabei, ein neues Buch herauszugeben: Handbuch für Cross-Border-Journalismus, das Anfang Oktober erscheint.

Im Jahre 2001 ist eine Verordnung in Kraft getreten, die Informationsfreiheit für die großen EU-Institutionen bringen soll: EU-Kommission, Ministerrat und Parlament. Die Verordnung trägt die Bezeichnung 1049/2001 und ist hier nachzulesen (aus dem Amtsblatt der EU, pdf-Dokument (6 S., 120 KB), was wichtig werden kann, wenn man im Einzelfall mit dem originären Anliegen dieser Entscheidung argumentieren muss: eu-verordnung_1049-2001 v300501_Zugang.

Danach gibt es 2 Pflichten für alle 3 Institutionen:

  • Alle Institutionen müssen eine Übersicht über alle ihre Dokumente führen
  • und müssen den Bürgern – im Prinzip – Einsicht in diese Akten gewähren

Die EU hat dazu sogar einen „Leitfaden für Bürger“ (zu denen bekanntlich auch Journalisten gehören) herausgegeben, die sich für Akten oder Informationen interessieren. Hier ist das Verfahren ganz gut beschrieben: eu-1049-2001_leitfaden fuer buerger.

Ausnahmen bestätigen – wie auch hier – immer die Regel: Was aus den unterschiedlichsten Gründen als „geheim“ deklariert wird (z.B. mit dem Hinweis auf Unterlagen, die im Zusammenhang mit NATO-Aktivitäten stehen), ist dem öffentlichen Zugang ersteinmal entzogen. Dann muss man klagen und die Rechtmäßigkeit einer solchen Bürokratenentscheidung gerichtlich überprüfen lassen, und zwar binnen zweier Monate beim Europäischen Gerichtshof (EUGH).

Ein Urteil des EUGH ist rechtlich bindend, das Verfahren sehr kostspielig. Man kann stattdessen auch binnen zweier Jahre nach einer Absage kostenfrei (!) Beschwerde einlegen beim EU-Ombudsmann, dem „Europäischen Bürgerbeauftragten“ bei den EU-Institutionen.

Wie gut bzw. wie schlecht das funktioniert, muss man ausprobieren. Ein Beispiel, wo das nur ziemlich zäh funktioniert, ist der Fall Guido STRACK, eines ehemaligen EU-Beamten, der auf Misswirtschaft und Betrug aufmerksam gemacht hat, suspendiert und vorverrentet wurde und der nun seit Jahren dagegen klagt. Und regelmäßig auf Akteneinsicht besteht: www.ansTageslicht.de/Strack.

 

Die NGO „statewatch“ , sammelt Fälle. Über den ersten folgenden Link lassen sich die vor dem Europäischen Gerichtshof anhängigen, also noch nicht entschiedenen Verfahren nachlesen (in englischer Sprache); der zweite Link führt zu einer Sammlung bereits entschiedener, also abgeschlossener Beschwerden, die dort auch kurz erklärt werden:

 

Wie man Informationsrechte wahrnehmen kann sowie Neuigkeiten auf dem gesamten Gebiet erfährt man über die Site www.wobbing.eu.

 

www.farmsubsidy.eu:

Hier haben sich vor allem mehrere europäische Journalisten zusammengeschlossen: farmsubsidy.org hat sich ein größeres Vorhaben vorgenommen: die jahrzehntelange Geheimniskrämerei um die EU-Agrasubventionen zu knacken.Bekanntlich gehen knapp die Hälfte aller EU-Gelder ausschließlich in die Landwirtschaft. Welche Länder, welche Firmen, welche landwirtschaftlichen Güter in welchem Umfang davon profitieren – darüber gab es nie konkrete Auskunft, immer mit dem Hinweis auf datenschutzrechtliche Gründe bzw. auf Persönlichkeitsrechte der Betroffenen, egal ob Unternehmen oder Privatpersonen.

Inzwischen hat sich jedoch die Einstellung in mehreren europäischen Ländern dazu gewandelt, nicht zuletzt aufgrund der Aktivitäten von farmsubsidy.org: mehr Transparenz des staatlichen und politischen Geschehens, erste Informationsfreiheitsgesetze und die politische Einsicht, dass zur demokratischen Kultur auch Informationen über die verausgabten Gelder gehören, haben in den ersten EU-Mitgliedsländern dazu geführt, dass über die Empfänger von EU-Geldern Auskunft gegeben wird. In England gehört zu dieser Gruppe beispielsweise auch das Haus Windsor.

 

Informationsfreiheit und Auskunftsrechte international

In den USA ist es der Freedom of Information Act (FOIA), den es seit den 60er Jahren gibt und dessen Philosophie sich in den USA bereits flächendeckend verbreitet hat -im Gegensatz zu deutschen Behörden, wo meistens immer noch gerne gemauert wird. Das FOIA-Gesetz gilt auf Bundesebene für alle Bundesbehörden und Institutionen. In den meisten Staaten gibt es dann Landesgesetze, die unter der Bezeichnung sunshine-laws firmieren.

Die Auskunftsrechte gelten für jedermann/jedefrau auf der Welt, also nicht nur für US-Amerikaner. Und die allgemeine Praxis sieht grundsätzlich positiv aus. Wenn jemand etwas möchte, dreht sich die Frage v.a. darum, ob man es in Printkopien oder digitalisiert haben möchte.

Natürlich gibt es Ausnahmen. Seit der Ära George W. BUSH und den Ereignissen des 11. September (2001) fällt vieles unter den „Heimatschutz“, was vorher vergleichsweise unkompliziert zu haben war. Da muss man im Einzelfall mit Gericht drohen. Und im Zweifel klagen. Nützliche Hinweise und Tipps gibt es auf vielen Internetseiten. Wir empfehlen eine Seite des San Francisco Bay Guardian Online, der eine Übersicht zusammengestellt von allen wichtigen Institutionen, die beim Durchsetzen von Informationsansprüchen helfen (können):  A citizen’s guide to fighting secret government. Dort wird zudem auf einschlägige Literatur verwiesen.

 

Eine offizielle, also staatliche Site ist jene des Außenministeriums: foia.state.gov. Dort ist man zuständig für alle Fragen rund um den FOIA.

 

Wie schon fast selbstverständlich der FOIA gehandelt wird, zeigt die Website des FBI. Dort wird ausführlich erklärt, was man dort einsehen, lesen, kopieren usw. kann. Z.B. die ganzen Dokumente, die seinerzeit im Zusammenhang mit der Überwachung von Bert Brecht entstanden sind.

 

Was man alles überhaupt mithilfe dieses Gesetzes an Informationen sammeln und der Öffentlichkeit zur Verfügung stellen kann, zeigt das Projekt an der George-Washington-Universität „The National Archive Center„, das u.a. ebenfalls Beratung in Sachen FOIA macht.

Diese Institution sammelt vor allem flächendeckend und systematisch Regierungsdokumente, die man sonst nie zu sehen bekäme. Egal ob Kubakrise, Unterstützung der USA bzw. der CIA beim Putsch gegen Salvador ALLENDE, Pentagon-Papiere und Watergate-Affäre, Osama bin LADEN oder sonstwas/sonstwer: Hier wird alles öffentlicht und online dokumentiert.

 

An der Missouri School of Journalism der University of Missouri gibt es ebenfalls ein FOIA-Center. Es wird betrieben von der National Freedom of Information Coalition (NFOIC).

 

Hinweise und Links für Informationsrechte in anderen Ländern folgen demnächst. Wir bitten um etwas Geduld.