4.6.3.4 Informations- und Branchendienste

Diese Spezies lebt vom Verkauf von Insiderwissen an Insider. In der Regel haben solche Dienste nur eine kleine Auflage bzw. einen eher kleinen, aber feinen Abnehmerkreis, der dafür auch zu löhnen bereit ist. Manche Dienste haben deutlich weniger als 1.000 Abonennten. Bei 500 € Abogebühr im Jahr für 12 oder 24 Ausgaben rechnet sich ein solcher Dienst schnell, weil in der Regel nur sehr wenige Zulieferer honoriert werden müssen – ein Dienst lebt von seinen Kontakten und den darüber erhaltenen Informationen. Im Gegensatz zu den periodischen Informationen von Watchdog-Institutionen sind Branchendienste kommerzielle Unternehmungen. Entsprechend anders ist auch deren Interesse gelagert, (investigativ arbeitenden) Journalisten Auskünfte zu geben und/oder mit diesen zu kooperieren.

Es gibt solche Dienste inzwischen für fast alle Branchen und in sehr unterschiedlichen ›Größen‹, sprich Reichweiten, was die Abnehmer anbelangt. Ebenso verschieden sind die Informationsangebote, was Breite und Tiefe der Nachrichten und Meldungen betrifft. Man muss sich im Einzelnen kundig machen. Besonders ergiebig sind solche Branchendienste dann, wenn es gelingt, im einzelnen Fall die jeweiligen Redakteure oder Informationsmakler für das eigene Rechercheinteresse zu begeistern, weil diese über exzellente und vor allem eingefahrene Informationsnetzwerke verfügen. Allerdings muss man ggf. darauf achten, klare und präzise Abmachungen über die Verwertungsmodalitäten zu vereinbaren.

Drei Beispiele seien hier exemplarisch als mögliche Ansatzpunkte skizziert.

Czerwensky intern, Frankfurt/M., ist einer der kleinen und feinen Branchendienste aus der Welt des Großen Geldes und der Banken (www.czerwensky.de). Der ehemalige Gründer und langjährige Macher, Dr. Gerhard CZERWENSKY, hatte beispielsweise 1994 als Erster Informationen über die dräuende Jürgen SCHNEIDER-Pleite gestreut. Der Dienst wird noch heute vor allem in Bankenkreisen gelesen. Im Zusammenhang mit dem SCHNEIDER-Desaster hat es übrigens erfolgreiche Kooperationen mit einzelnen Medien gegeben.

Für die Branche der Kapitalanleger und Steuersparer, einem Segment aus dem so genannten Grauen Kapitalmarkt, gibt es allein drei konkurrierende Dienste, die teilweise mit ein- und demselben Namen verbunden sind bzw. waren: Heinz GERLACH. kapital-markt intern, Köln, war der erste Dienst, den der »Anlegerschützer« (GERLACH über GERLACH) von 1977-1987 aufgebaut und gemanagt hatte (via: www.markt-intern.de). Er schied im Unfrieden und gründete einen neuen: den gerlach-report (umbenannt in DFI-Report; www.dfi-report.de) in Oberursel, den er von 1988-1993 leitete und später an die Bertelsmann AG verkaufte und der jetzt von einer Fa. namens Fuchsgruber betrieben wird. GERLACH (verstorben 2010) war wegen seiner unkonventionellen Informationsbeschaffungsmethoden umstritten (vgl. Eintrag in Wikipedia). Letztlich gilt dies aber auch in Bezug auf die Ziele und Interessen bzw. die Zielgruppen bzw. deren Interessen solcher Info-Dienste.

Alle Dienste gerade in diesem Bereich, der wirtschaftliche Interessen bedient, leben nicht nur von den Informanten der eigenen Netzwerke, sondern auch von den Informationen der vielen Zehntausenden von gefrusteten oder enttäuschten und deshalb redefreudigen oder aus sonstigen Gründen klagewilligen Betroffenen, die hier einen kompetenten Ansprechpartner, Berater und Servicedienstleister finden. Die Dienste wissen sehr vieles, haben alles an den geheimsten und brisantesten Papieren, wissen um den Stand staatsanwaltschaftlicher Ermittlungen und verkörpern – so gesehen – den medialen Idealfall des gegenseitigen Austauschs von Informationen zwischen Informanten und Interessierten, zwischen Kommunikatoren und Rezipienten.

Will man von derlei aktuellem Know-how profitieren, so kommt man über einen betroffenen Anleger in dieses Informationssystem hinein, der sich ggf. in der Liste der Kommanditisten einer entsprechenden GmbH & Co.KG im Handelsregister ausfindig machen lässt. Hat man genügend Informationen auf diesem Weg gewonnen, kann man den offizielleren Weg als Journalist in dieses System probieren.

Im Bereich des Gesundheitswesens gibt es z.B. die Presseagentur Gesundheit: www.pa-gesundheit.de. Diesen Dienst, der auch sehr kritische – aus der Sicht der Branche t.w. auch „negative“ – Informationen aus diesem weiten Feld bereit hält, haben sehr viele Branchenvertreter deswegen abonniert, weil er praktisch alle relevanten Informationen kommuniziert und nicht nur die branchenweit „erwünschten“.

So muss man im Einzelfall schauen, was es an spezialiserten Informationsdiensten gibt, welche Interessen sie bedienen und wie sie sich dann für die eigenen Recherchezwecke nutzen lassen.