Zeittafel / Chronologie – Ergänzung zu Kapitel 3.1.2

Jeder hat sein eigenes System, Hinweise, Informationen, Zahlen und Daten zu sammeln, um daraus später eine ganze Geschichte zu stricken.

Eine von vielen empfehlenswerten Varianten ist die einer Zeittafen bzw. Chronologie. In einem solchen Format wird alles abgelegt – und zwar zeitlich geordnet, was die einzelnen Vorfälle bzw. Ereignisse betrifft. Und immer mit der Quelle versehen, aus der eine solche Information stammt. Dies hat den Vorteil, dass sich eine Geschichte in jedem Fall aus dem zeitlichen Ablauf erschließt. Auch wenn man beim Starten nicht immer wirklich weiß, wo alles enden wird. Und wie die einzelnen Zusammenhänge aussehen. Zumindest lassen sich dann zeitliche ‚Zusammenhänge‘ erkennen, selbst wenn die nicht miteinander kausal verkettet sind.

Im einfachsten Fall besteht eine solche chronologische Zusammenstellung bzw. Sammlung von Informationen aus drei Spalten. Wenn man sie in einem digitalen Format anlegt (z.B. als TextdateI), lassen sich an jeder Stelle bzw. unter jedem Datem neue Einträge anlegen, wenn dies notwendig werden sollte. So kann das im einfachsten Fall aussehen:

Vorlagen_Chrono-3Spalten-1500px

Will man beispielsweise ide Vorgänge auf zwei Ebenen besser auseinanderhalten, so geht auch dies ganz einfach, indem eine weitere Spalte eingeführt wird. Dann sieht man bereits synoptisch, wann sich was auf welcher Ebene tut. Bzw. wie möglicherweise die Akteure der einen Ebene auf Vorfälle und Ereignisse der anderen reagieren. Undsoweiter:

Vorlagen_Chrono4Spalten-1500px

Selbstverständlich ist eine solche Sammlung von Daten ersteinmal nur eine Arbeitsmethode.Wie man diese Geschichte später erzählt, ob chronologisch oder aus einem anderen Blickwinkel heraus, ist eine ganz andere Sache. Eine Chronologie will zunächst einfach nur alles, was potenziell relevant sein könnte, zeitlich und übersichtlich einordnen.

 

Beispiel 1: Das System Poggendorf

Eine Geschichte, die das Hamburger Abendblatt 2007 veröffentlicht hat und dafür auch für einen Henri-Nannen-Preis 2008 nominiert worden war (ohne ihn für die „beste investigative Leistung“ zu bekommen). Im Mittelpunkt: Der Geschäftsführer des Hamburger Tierschutzvereins, der sich zunächst zum Alleinherrscher aufgeschwungen hatte um dann sich selbst in die eigene Tasche zu wirtschaften. Der ‚Kauf‘ zu allerbesten Konditionen einer dem Tierschutzverein vererbten Eigentumswohnung auf Sylt war dann der Auslöser für eine erste Veröffentlichung des Redakteurs Ullrich GASSDORF. Es folgten Durchsuchungen durch die Staatsanwaltschaft, Anklage und Verurteilung. Alles ziemlich schnell, weil der Fall eindeutig war.

Studenten des Projekts DokZentrum ansTageslicht.de haben diesen Vorgang von Anfang an rekonstruiert. Und dazu die nachfolgende Chronologie als Arbeitsinstrument zusammengestellt: Wie POGGENDORF_Chrono_08_Versioninvestigativorg.

Wie sich die Geschichte dann letztlich liest, ist unter dem Link www.ansTageslicht.de/Poggendorf zu sehen, dort im Kapitel Chronologie einer Affäre.

 

Beispiel 2: Wie sich aus einem „Paket“ an Erstinformationen eine Geschichte entwickeln kann

Dieser Fall ist zum konkreten Üben gedacht. Das „Paket“, das man beispielsweise anonym erehalten haben kann, enthält 19 Blatt unterschiedlichster Informationen: Zeitungsausschnitte, Aktenvermerke von Staatsanwaltschaft und Kriminalpolizei, eine Strafanzeige sowie diverse gefaxte Unterlagen: UE_hotdocs_HF_Versioninvestigativorg.

Geht man alle diese Dokumente durch und achtet auf jedes noch so kleinste Detail, so z.B. auch auf die Faxkennungen, die t.w. erhalten sind, und stellt alles in einer chronologischen Aufstellung zsuammen, so ergibt sich die nachfolgende Chronologie, die die (spätere) Geschichte bereits in einem ersten Ansatz erkennen lässt: UE_Chrono-hotdocs_HF_Versioninvestigativorg.

Wie sich die Geschichte dann letztlich dargestellt hat (nach vielerlei weiteren Recherchen), ist – einschließlich von rd. 600 präsentierten Dokumenten – im DokZentrum ansTageslicht.de nachzulesen: unter www.ansTageslicht.de/Friedrich.

Kurzfassung der Geschichte: Ein „grüner“ Abteilungsleiter im Umweltministerium von NRW wurde von der zeitweise regierenden CDU intern mit Korruptionsvorwürfen bedacht. Ohne dass dieser es ahnen konnte. Man wollte ihn loswerden, weil er die Trinkwasserqualität entlang der Ruhr verbessern wollte. Daran hatte aber die in NRW monopolisierte Wasserwirtschaft kein Interesse. Denn das hätte Geld (Investitionen) und Anstrengung (Diskutieren, Planen, Entscheiden usw.) bedeutet. Und das wollten die Wassermanager nicht investieren. Wie gelegen kam ihnen da ein CDU-Mann als Umweltminister zu Hilfe, der sich v.a. als Förderer der Wirtschaft verstand.

Die subtilen Vorgehensweisen waren – zunächst – erfolgreich. Der „Grüne“ musste sogar zeitweise in U-Haft. Und wurde im Auftrag der Staatsanwaltschaft abgehört. Und ein grüner Landtagsabgeordneter, der heute als Umweltminister amtiert, Johannes REMMEL, gleich mit dazu. Das ging schief. Bzw. wurde öffentlich. Daraufhin wendete sich das Blatt: Ein Parlamentarischer Untersuchungsausschuss wurde eingesetzt. Ergebnis: Von den vielen Vorwürfen gegen den grünen Abteilungsleiter, der heute selbstständig arbeitet, blieb nichts übrig.

Der Umweltminister, der alles angeleiert hatte, bekam nach der Wahlschlappe der CDU im FRühjahr 2010 einen würdigen Nachfolgeposten: Präsident des Landtages von NRW.

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