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1.1.1 – 3 Ergänzungen zur Watergate-Affäre:

3 Ergänzungen zur Watergate-Affäre

Die Watergate-Affäre gehört zu den nachhaltigsten Skandalen der neueren Zeit:

Der Präsident des weltweit mächtigsten Landes wurde durch das Parlament und auch seitens seiner eigenen Parteiabgeordneten öffentlich angeklagt. Präsident NIXON kam dem Amtsenthebungsverfahren (Impeachment) jedoch durch Rücktritt zuvor.

Die Amerikaner, die ihn noch fünf Monate nach dem Watergate-Einbruch mit überwältigender Mehrheit (61%) bei der Präsidentenwahl im Amt bestätigt hatten, wanden sich in kurzer Zeit von ihm ab, nachdem nach und nach herauskam, wie stark er selbst und seine engsten Mitarbeiter in die Affäre verstrickt waren und wie sie versuchten, die Vorgänge zu vertuschen – durch Manipulationen von Akten und Tonbändern sowie durch Lügen vor laufenden Fernsehkameras, aber auch vor Gericht und in den parlamentarischen Untersuchungsausschüssen. Aber auch durch Instrumentalisierung der Ermittlungsbehörden.

Zu letzterem Aspekt ein kleines Beispiel: Der Chef des FBI (vergleichbar mit dem Bundeskriminalamt) hatte bei einem Hearing aufgrund von gezielten Nachfragen zugeben müssen, Beweismaterial, das die Verstrickung des Weißen Hauses belegte, eigenhändig vernichtet zu haben

Der Skandal erreichte seinen Höhepunkt, als bekannt wurde, dass NIXON nicht nur Gegner, z.B. unliebsame Journalisten sowie die Demokratische Partei (Opposition) mit nachrichtendienstlichen Mitteln illegal abhören ließ, sondern auch seine eigenen Mitarbeiter und sein eigenes Büro, das Oval Office. Eines der Tonbänder, das das persönliche Engagement von NIXON hätte zweifelsfrei belegen können, war, als es dem Sonderankläger übergeben werden mußte, an der fraglichen Stelle über eine Länge von 18 Minuten gelöscht bzw. durch einen Pfeifton überlagert.

Nachdem die Affäre durch Rücktritt von Richard NIXON ersteinmal ausgestanden war, hatte sie vor allem eines bewirkt: Das Mißtrauen der US-Amerikaner gegenüber der Politik im Allgemeinen und allen Machtapparaten im Speziellen (FBI, CIA, Weißes Haus) war erheblich gestiegen. Die Medien reagierten umgehend: Mit der flächendeckend regierungsfreundlichen (Hof-)Berichterstattung war es vorbei – die Medien erkannten ihre Watch Dog-Funktion.

Die Affäre wird im Buch, wozu diese Website gehört, mehrfach aufgegriffen. Mehrere Aspekte spielen eine Rolle:

Zum einen ist es ein klassisches Lehrbuchbeispiel dafür, wie zwei ganz ›normale‹ Lokalreporter durch die vier relevanten journalistischen Qualitäten 1) kritische Aufmerksamkeit, 2) systematisches Vorgehen, 3) Zähigkeit bei der Recherche und 4) ständiges Hinterfragen der Ergebnisse einen gigantischen Skandal entlarven (können)

Zum zweiten macht dieser Fall deutlich, wie sehr investigativ arbeitende Journalisten von der Unterstützung durch Informanten abhängig sind und wie sicher sich solche Helfer fühlen können – so ist der wichtigste Informant (whistleblower) mit dem Pseudonym »Deep Throat« bis heute nicht enttarnt worden, obwohl die Regierungsadministration, FBI und CIA sowie die betroffenen Akteure der Affäre alles drangesetzt haben, den Informationsgeber zu entlarven. Dies ist nicht gelungen. Erst im Mai 2005 hat sich der inzwischen 91-jährige Informant selbst geoutet: Mark FELT, seinerzeit Vizechef des FBI. Siehe dazu unter 1.1.1.1 – Literatur- und Quellenhinweise.

Der Fall stellt aber auch klar, dass konsequentes Recherchieren nicht nur Zeit- und Manpoweraufwand bedeutet, sondern dass es auch der notwendigen mentalen Rückendeckung seitens der Chefredaktion bedarf, damit solche Geschichten gemacht werden können

Last, but not least zeigt die Affäre, wie wichtig und unverzichtbar die Arbeitsteilung zwischen Medien, die ihre öffentliche Aufgabe wahrnehmen, und anderen Ermittlungsebenen ist: FBI, Staatsanwaltschaft, Gerichte, Rechnungshof, parlamentarische Untersuchungsausschüsse. Viele relevante Details sind nur deshalb herausgekommen, weil die Reporter auch ständig die Arbeit dieser Ermittlungsinstitutionen kritisch begleitet haben. Zum Teil haben sie aber auch die eigentlichen (Steil-)Vorlagen dazu geliefert

Über Watergate gibt es inzwischen viel Literatur und Informationen. Die beiden Reporter, Bob WOODWARD und Carl BERNSTEIN, haben in zwei Büchern die Ereignisse beschrieben. Im ersten Buch von 1974, »Die Watergate-Affäre« (Original: All the President’s Men), sind vor allem der Beginn dieses Skandals sowie der Gang der Recherchen beschrieben. Allerdings endet der Bericht noch vor dem Ende der Affäre, da die Reporter mit ihrem Buch mitten in die Hochzeit des sich abzeichnenden Skandals geraten wollten. Der zweite Teil sozusagen ist daher erst im zweiten Buch von 1976 rekonstruiert: »Amerikanischer Alptraum. Das unrühmlich Ende der Ära Nixon« (Original: The final days).

Der Film zum (ersten) Buch mit dem unpassenden deutschen Titel »Die Unbestechlichen« (Original: All the President’s Men) wurde 1976 uraufgeführt bzw. zu der Zeit gedreht (1975), als ganz Amerika noch immer von Watergate sprach und das (erste) Buch der beiden Reporter immer noch auf der Bestsellerliste stand. Das damalige Problem des Drehbuchs und des Filmplots – jeder wußte, was Watergate bedeutete – ist heute der eigentliche Vorzug des Films – zumindest aus journalistischer Sicht: Um nicht noch einmal alles zu wiederholen – die Verfehlungen und politischen Folgen – konzentriert sich der Film auf die Anfänge der Affäre. Konkret darauf, wie die Recherchen und die Affäre ins Laufen kam bzw. wie schwierig die allerersten Schritte beim Recherchieren waren. Die beiden Reporter werden überzeugend gespielt von Robert REDFORD und Dustin HOFFMANN. Weitere Angaben auf der Literaturliste.

Eine Chronologie, d.h. eine Zeittafel zum Ablauf der Ereignisse findet sich zum einen auf dem Server der Washington Post. Normalerweise sind die Websites password- bzw. kostenpflichtig. Allerdings kann man die entsprechenden Seiten auch ohne Zugangsbarrieren aufrufen, wenn man das genaue Verzeichnis ansteuert:
www.washingtonpost.com/wp-srv/national/longterm/watergate/
Dort sind auch alle relevanten Artikel von damals abgelegt. Ausserdem finden sich Portraits zu den wichtigen Akteuren; Mutmaßungen offizieller und halboffizieller Institutionen darüber, wer Deep Throat sein könnte; u.a.m. Die Website wurde anlässlich des 25jährigen ›Jubiläums‹ (Rücktritt NIXON 1974) im Jahre 1999 ins Netz gestellt.

Eine weitere Chronologie findet sich unter:
www.tropes.com/History/Biography/UnitedStates/PresidentoftheUnitedStates/NixonRichardM
oder
www.tropes.com
und dort unter »watergate« suchen.

Die ausführlichste Chronologie (englisch: time-line) gibt es in dem Buch The Watergate Hearings. Break-in and Cover-up. Proceedings of the Senate Select Committee on Presidential Campaign Activities as edited by the staff of The New York Times. Allerdings endet sie im September 1973, also ein knappes Jahr vor dem endgültigen Sturz NIXON’s (siehe Literaturliste)

Auf dieser Website findet sich eine verkürzte Zeittafel mit den wichtigsten Ereignissen und Abläufen bis zum Rücktritt im August 1974 hier:
zu 1.1.1.2: Zeittafel (time-line)

Anklagen und Urteile – Was aus ihnen wurde …:

Richard NIXON kam der parlamentarischen Anklage bzw. Amtsenthebung durch Rücktritt vom Präsidententhron zuvor. Zu einer Anklage vor Gericht indes kam es nicht mehr – sein Nachfolger, Gerald FORD, hatte in einer seiner ersten Amtshandlungen den eigenen Vorgänger amnestiert.

Allerdings mussten alle anderen Akteure vor Gericht und vor parlamentarische Untersuchungsausschüsse. Dies betraf u.a. NIXON’s engste Mitarbeiter. Eine Übersicht, wer in welcher Funktion sich für was verantworten musste, hatte 1974 DER SPIEGEL in seiner Ausgabe Nr. 25 grafisch dargestellt. Mit freundlicher Genehmigung des SPIEGEL-Verlags ist diese Abbildung hier als zip-file (450 KB) als download aufzurufen.
Zur 3) SPIEGEL-Grafik ‚Was aus ihnen wurde‘:
artikel_2_1033648995watergate.zip